Die Verratenen
müssen uns auf dem Terrain eines Clans befinden.
»Darauf können wir keine Rücksicht nehmen«, keucht Aureljo, als hätte er meine Gedanken gehört.
Das Heulen setzt wieder ein, näher jetzt.
»Schneller!«, brüllt Tycho über die Schulter.
Die Antwort ist ein Aufschluchzen von Tomma und ein Fluchen von Fleming, aber immerhin lässt er sie nicht im Stich. Dantorian hält ebenfalls durch, sein Gesicht ist fast so weiß wie der Schnee, auf dem er läuft.
Wenn jemand das Haus bewohnt, sieht und hört er uns kommen, keine Frage. Er wird sofort erkennen, dass wir Sphärenbewohner sind, und uns mit Klingen und Pfeilen begrüßen.
Müssen wir riskieren. Hinter dem Hügel links von mir taucht ein grau-weißer Kopf auf. Gespitzte Ohren. Daneben noch einer.
Sie sind größer, als ich sie mir vorgestellt habe. Aber sie sind zu spät, hoffe ich.
Nun zeigen sich auch rechts von uns drei Tiere, laufen leichtfüßig über den Schnee auf uns zu. Ich packe meine Harke fester, der erste Wolf, der mich angreift, wird es bereuen.
Da ist das Haus, der hintere Teil scheint eingestürzt zu sein, aber der Eingangsbereich ist intakt, hat sogar eine Tür, hinter der wir uns verschanzen können. Wir haben es geschafft!
Tycho reißt an dem Eisenstück, das als Griff dient, verliert dabei seine Decke, zerrt die Tür auf –
Ein Schrei. Panik und Schmerz.
Es ist nicht Tomma, wie ich im ersten Moment annehme; sie und Fleming sind fast am Ziel.
Es ist Dantorian.
Ein Wolf hat ihn am Bein gepackt und zu Fall gebracht, ein zweiter schießt heran und schnappt nach seiner Kehle. Dantorian wehrt ihn ab, aber das gelingt ihm sicher nicht noch einmal.
Ohne dass wir uns abgesprochen hätten, haben Aureljo und ich dem Haus den Rücken zugekehrt und eilen Dantorian zu Hilfe. Wieder ein Reflex.
Laute Schreie können Wölfe vertreiben, haben wir damals im Unterricht gelernt. Wir brüllen, als wären wir selbst Tiere, doch die Wölfe sind nur sehr kurz irritiert. Denken nicht daran zu fliehen.
Ich schwinge die Harke über meinem Kopf und lasse sie auf den Wolf herabsausen, der wiederholt einen tödlichen Biss versucht. Er ist schnell, weicht aus, ich erwische nur Fell und die Haut über seinen Rippen.
Der andere Wolf lässt Dantorians Bein los und stellt sich mir mit hochgezogenen Lefzen entgegen, knurrend.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Aureljo den blutenden Dantorian in Richtung des Hauses schleppt, wo Tycho und Fleming ihn sofort übernehmen. Für einen kurzen, irrealen Moment bin ich einfach nur stolz auf uns, darauf, wie reibungslos die Zusammenarbeit funktioniert, wie gut wir darin trainiert sind.
Dann greifen die beiden Wölfe an, gleichzeitig. Ich wehre den ersten mit der Harke ab und schon ist Aureljo wieder neben mir, in jeder Hand einen Stein.
Der erste Wurf ist sofort ein Treffer. Der Wolf heult, diesmal ist es ein Schmerzenslaut, er weicht zurück, aber nun zeigt sich der Rest des Rudels. Sechs, nein, sieben Tiere, die in vollem Lauf auf uns zuhalten.
Für Taktik ist es jetzt zu spät, das Einzige, was uns noch retten kann, ist Geschwindigkeit. Rennen.
Die Überreste des Hauses liegen vor uns, aber auch der dümmste Student an unserer Akademie könnte vorhersagen, dass wir keine Chance haben.
Trotzdem versuchen wir es.
Zwanzig Schritte, fünfundzwanzig vielleicht, sind alles, was uns von den schützenden Mauern noch trennt. Doch ebenso gut könnten sie Kilometer entfernt sein, die Wölfe sind schneller und nehmen uns in die Zange. Zwei laufen rechts auf gleicher Höhe mit mir, ein Sprung würde genügen und dann –
Ein hoher, alarmierender Ton, durchdringend. Eine Mischung aus Pfeifen und Schrillen, fünf Mal hintereinander. Die Wölfe erstarren erst, dann springen sie zur Seite.
Mein Salvator. Es ist das Notsignal, mein Puls muss über 170 liegen, er schlägt mir bis zum Hals. Die Angst rettet mir das Leben.
Aureljo packt meinen Arm und wir schaffen die letzten Meter, Fleming reißt uns förmlich durch die Tür und knallt sie dann hinter uns zu. Tycho blockiert sie mit drei schweren Steinen. Fürs Erste haben wir gewonnen. Ich lasse mich zu Boden fallen.
Puls zu hoch, Überanstrengung! ,zeigt das Display des Salvators, der seinem Namen diesmal alle Ehre gemacht hat. Hinlegen, durchatmen, auf die Ankunft des Arztes warten.
Ich kann nicht anders, ich muss lachen, allerdings nur kurz, denn Dantorian krümmt sich in einer Ecke und hält sich das Bein. Das Blut, mit dem sich seine Hose vollgesogen hat, hinterlässt
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