Die Verschollenen
gebrochen?«
»Nein.«
»Dann musst du es versuchen. Shonette hat Recht.«
»Nein.« Plötzlich schien Pauline einen Rest Stärke
und Entschlossenheit in sich zu finden. Ihr Ton war unnachgiebig. »Geht ruhig, ihr zwei. Ich werde einfach meine Augen schließen und warten.«
»Worauf denn?«, fragte Shonette.
»Auf den Tod.«
»Blödsinn«, erwiderte Shonette. »Wir werden nicht ohne dich gehen, und wir werden ganz bestimmt nicht hierbleiben, nur damit du dein beschissenes Selbstmitleid befriedigen kannst.«
Becka zuckte zusammen. »Shonette …«
»Scheiße, nein.« Shonette hob abwehrend die Hand und unterbrach sie: »Ich werde nicht hier rumsitzen und darauf warten, dass diese Dinger zurückkommen und entdecken, was du mit ihrem furchtlosen Anführer angestellt hast. Du warst es doch, die was von Flucht erzählt hat. Du hast mir da drüben diesen aufmunternden Vortrag gehalten und mich heißgemacht. Und jetzt tue ich dasselbe für sie. Jetzt muss sie es für sich selbst machen - und für uns.«
»Bei dir klingt das so …«
»Ist mir scheißegal, wie das klingt, Becka. Ich habe die Schnauze voll von dieser Insel, ich habe die Schnauze voll von dieser Show, und ich habe die Schnauze voll von diesen verfickten Dingern. Ich will meine Kinder wiedersehen. Ich will leben, und verdammt noch mal, mehr als alles andere auf der Welt will ich von dieser beschissenen Insel runter. Sofort. Pauline verzögert das Ganze. Sie muss verfickt noch mal drüber wegkommen.«
Becka war zu verblüfft, um etwas zu erwidern.
»Du klingst schon wie Troy«, murmelte Pauline, dann begann sie zu kichern. »Aber du riechst besser als er.«
Einen Moment später stimmten Becka und Shonette in ihr Kichern ein. Die drei Frauen umarmten sich, und ihre Körper zuckten von unterdrücktem Gelächter.
»Hey, ihr beschissenen, haarigen Schwanzlutscher! Kommt raus und spielt mit uns!«
»Wow«, keuchte Pauline. »Diesmal hast du wirklich wie Troy geklungen.«
»Das war ich nicht«, meinte Shonette. »Hört doch!«
Die Stimme klang gedämpft, als käme sie aus großer Entfernung.
»Kommt schon, ihr verfickten, zurückgebliebenen Affen! Was seid ihr? Muschis? Kommt und holt euch eure Portion Schläge, ihr behinderten Scheißhaufen! Ich zeige euch, wie wir das in Seattle regeln!«
»Oh mein Gott«, flüsterte Becka. »Das ist Troy.«
Eine gewaltige Erschütterung lief durch die Höhle, als unter ihnen der gesamte Stamm aufbrüllte.
ZWEIUNDZWANZIG
T roy«, flüsterte Jerry. »Kann ich dich was fragen?«
»Was denn?«
»Hast du dir wirklich ›alles total beschissen‹ auf den Hintern tätowieren lassen?«
»Scheiße, ja.«
»Du hast mich nicht verarscht?«
»Nö. Ich trage dieses Tattoo wirklich, Mann.«
Jerry blieb stehen. Troy hielt hinter ihm an.
»Was ist los?«
»Der Tunnel führt von jetzt an nach unten. Gehen wir weiter.«
Jerry schätzte, dass sie inzwischen ungefähr dreißig bis vierzig Meter weit in den Tunnel vorgedrungen waren. Trotz Troys vehementem Protest hatte Jerry die Taschenlampe ausgeschaltet, als sie tiefer reingegangen waren. Er hatte befürchtet, dass die Kreaturen den Lichtstrahl bemerken könnten. Dabei wünschte er sich in Wahrheit sehnlichst, sie wieder einschalten zu können. Die Luft im Tunnel stank ekelhaft, und die Dunkelheit schien sie erdrücken zu wollen. Jerry hatte nie unter Klaustrophobie gelitten, aber in den letzten paar Minuten hatte
er sehr gut verstanden, warum andere Menschen Platzangst bekamen. Mühsam beherrschte er sich, um seine Atmung unter Kontrolle zu halten. Obwohl die Temperatur wieder gefallen war, war er völlig verschwitzt. Mit der linken Hand umklammerte er seinen behelfsmäßigen Speer. Die rechte ließ er über die Wand neben sich gleiten. Der kalte, feuchte Stein verlieh ihm zumindest ein bisschen Sicherheit.
Durch den Tunnel drangen Geräusche zu ihnen herauf und brachen sich an den unebenen Wänden - Grunzen und Jaulen, aus dem hin und wieder ein Knurren hervorstach oder, was noch schlimmer war, eine Art schreckliches, verzerrtes Gelächter.
»Himmel noch mal«, flüsterte Troy. »Hör dir den Mist an. Was meinst du, was machen die gerade?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Jerry. »Vielleicht feiern sie. Ein Festmahl? Paarungsrituale? Irgendeine Art von Kriegstanz, der ihren Inselgottheiten gewidmet ist? Woher soll ich das wissen, Mann?«
»Weil du der verdammte Experte für diesen Scheiß bist.«
»Ich bin kein Experte. Ich habe es dir doch gesagt - das ist nur ein
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