Die Verschwender vom Mars
Angst einjagen.«
»Warum solltest du Angst haben?« Er erhob sich. »Aber ich habe mich lange genug hier herumgedrückt ...«
Für einen Augenblick ließ er einen seiner sechs Greifarme mit gelassener Freundschaftlichkeit auf einem ihrer Arme ruhen. Wenda wurde von dem vernunftwidrigen Verlangen heimgesucht, ihn fest zu fassen und nicht gehen zu lassen.
Einen Augenblick lang war sie erschrocken, weil sie fürchtete, er könne über die Unterhaltungsebene hinaus in ihren Geist eindringen; daß er Abscheu empfinden könne und sie nie wieder ansehen, ja sie vielleicht sogar melden würde, damit man sie einer Behandlung unterzöge. Dann löste sich ihre Spannung. Roi war normal, nicht krank wie sie. Ihm würde nicht im Traum einfallen, tiefer als bis zur Unterhaltungsebene in den Geist eines Freundes einzudringen.
Er ging, und in ihren Augen war er sehr gut aussehend. Seine Greif arme waren gerade und kräftig, er hatte viele zarte, zu Greifern ausgebildete Tasthaare und seine Sehflecken schimmerten schöner, als sie es je gesehen hatte.
3.
Laura ließ sich in ihrem Sitz nieder. Wie weich und bequem man die jetzt machte. Wie angenehm und beruhigend Flugzeuge innen waren, wie verschieden von dem harten, silbrigen Glanz der Außenhaut.
Auf dem Sitz neben ihr stand der geflochtene Tragkorb. Sie blickte über die Decke hinweg zur kleinen, gerüschten Mütze hin. Walter schlief. Er hatte das leere, runde und weiche Gesicht des Säuglingsalters, und die Lider waren wie zwei mit Fransen besetzte Halbmonde über die Augen gezogen.
Auf seiner Stirn ringelte sich eine Locke hellbraunen Haares, und mit unendlicher Zartheit strich sie Laura unter das Mützchen zurück.
Es würde bald Zeit sein, Walter zu füttern, und sie hoffte, er war noch zu klein, um durch die fremde Umgebung verstört zu werden. Die Stewardeß war wirklich sehr nett. Sie bewahrte seine Flaschen sogar in einem kleinen Eisschrank auf.
Die Leute in den Sitzen auf der anderen Seite des Ganges hatten ihr auf diese bestimmte Art zugesehen, die darauf schließen ließ, daß sie sich liebend gern mit ihr unterhalten würden, wenn ihnen nur ein Vorwand einfiele. Dazu bot sich die Gelegenheit, als sie Walter aus dem Körbchen hob und das kleine, rosige Fleisch, das in weißen Baumwollhüllen steckte, auf ihren Schoß legte.
Unter Fremden ist ein Baby immer ein guter Grund, ein Gespräch anzuknüpfen.
Die Dame auf der anderen Seite des Gangs sagte – ihre Worte waren voraussagbar: »So ein nettes Kind. Wie alt ist er denn, meine Liebe?«
Laura sagte mit Sicherheitsnadeln zwischen den Lippen – sie hatte eine Decke über die Knie gelegt und legte Walter trocken –, »nächste Woche wird er vier Monate.«
Walters Augen waren offen, und er öffnete den feuchten, zahnlosen Mund und lächelte die Frau drüben mild an.
Er hatte es gern, wenn man ihn trockenlegte.
»Schau ihn nur an, George«, sagte die Dame.
Ihr Gatte lächelte zurück und winkte mit feisten Fingern.
»Tatata«, sagte er.
Walter lachte mit hoher, sich überschlagender Stimme.
»Wie heißt er denn, meine Liebe?« fragte die Frau.
»Walter Michael«, sagte Laura und fügte dann hinzu: »Wie sein Vater.«
Jetzt waren alle Hemmnisse gefallen. Laura erfuhr, daß das Paar George und Eleanor Ellis hieß, daß es Urlaub machte, drei Kinder hatte, zwei Mädchen und einen Jungen, alle schon erwachsen. Die beiden Mädchen waren verheiratet, und eines hatte zwei Kinder.
Laura lauschte mit einem zufriedenen Ausdruck in ihrem schmalen Gesicht. Walter – senior, versteht sich – sagte immer, er habe sich anfänglich deshalb für sie interessiert, weil sie so gut zuhören konnte.
Walter wurde unruhig. Laura befreite seine Arme, damit sich einige seiner Gefühle in Muskelarbeit umsetzen konnten.
»Würden Sie bitte die Flasche warm machen?« bat sie die Stewardeß.
Auf bestimmte, aber freundliche Fragen hin erklärte Laura, wie oft Walter jetzt gefüttert wurde, wie die Milch zusammengesetzt war und ob er wund war.
»Ich hoffe nur, sein kleiner Magen ist heute nicht durcheinander«, sorgte sie sich. »Ich meine, wegen des Geschaukels im Flugzeug.«
»Ach, mein Gott«, sagte Mrs. Ellis, »er ist zu klein, um darunter zu leiden. Außerdem sind diese großen Flugzeuge herrlich. Wenn ich nicht aus dem Fenster sehen würde, könnte ich meinen, wir seien gar nicht in der Luft. Geht's dir nicht genauso, George?«
Aber Mr. Ellis war ein offenherziger Mann und sagte frei heraus: »Mich
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