Die Verschwoerung der Fuersten
war ein erwachsener Mann«, sagte Bandolf trocken.
Sigurt lächelte ihn dankbar an. »Ich wusste, Ihr würdet das verstehen«, meinte er. »Ich kann mich doch darauf verlassen, dass das, was ich Euch erzählt habe, weder Ludgers Mutter noch seiner Gemahlin zu Ohren kommt?«
Bandolf nickte nur, und Sigurt verabschiedete sich, augenscheinlich erleichtert.
In Gedanken versunken verließ Bandolf das Anwesen und schlug den Weg zu den Gaden ein. Er sann über das Gespräch mit Sigurt nach. »Ein eigentümlicher Mann«, sagte er laut.
»Und so mitteilsam«, meinte eine Stimme hinter ihm. Bandolf fuhr herum.
Pater Emeram hastete die wenigen Stufen hinauf, die zur Pforte seiner Kapelle führten, und stolperte, blind für seine Umgebung, durch die schwere Holztür. Er bemerkte nicht, dass die große graue Domkatze mit ihm durch die Pforte huschte, bevor sie hinter ihm zufiel. Kühle, dämmrige
Stille empfing den Priester, und für einen kurzen Moment fühlte er den vertrauten Trost des geweihten Ortes. Staubflimmerndes Herbstlicht fiel durch die Fenster und warf ein Schattenspiel auf das Schachbrettmuster des Bodens.
Emeram blieb stehen und atmete tief ein, doch die Last seiner Gedanken drückte ihn nieder, und das tröstliche Gefühl verschwand so schnell, wie es gekommen war. Mit schweren Schritten ging er am Taufbecken vorbei und warf sich vor dem schlichten Altar aus rotem Sandstein auf den Boden. Die Kälte der Steinplatten drang durch seine Robe, und der Priester fröstelte, ohne es zu merken.
»Libera me, Domine, de morte aeterna in die illa tremenda. Errette mich, oh Herr, von dem ewigen Tode an jenem furchtbaren Tage«, murmelte er. »Quando coeli movendi sunt, et terra … Wann die Himmel erschüttert werden und die Erde …« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Dum veneris judicare saeculum per ignem. Tremens factus sum ego … Wann Du kommen wirst zu richten die Welt durch das Feuer. Furcht überfällt mich…« Er verstummte.
Penelope tappte auf ihren weichen Pfoten an der Wand entlang, als wolle sie den unsichtbaren Spuren des Menschen folgen. Sie hatte keinen Blick für die schlichte Symmetrie des Ortes oder die frischen Farben der Wandgemälde, die das Leben des Täufers darstellten, dem die Kirche geweiht war. Hinter einer Säule in der Nähe des Altars verharrte die Katze und heftete ihre gelben Augen starr auf die Gestalt, die reglos vor dem Altar kauerte.
So blieb sie sitzen, und ihr mitleidig anmutendes Schnurren begleitete die Gedanken des Priesters, ohne dass er es hörte.
»Tremens factus sum ego …«, wiederholte er leise. Furcht überfällt mich …
Und ich fürchte mich zu Recht, dachte er, und sein Herz zog sich voller Gram zusammen. Würde der Allmächtige ihm jemals vergeben? Er hatte Verrat begangen. Und Schlimmeres. Ein Mann lag tot auf seinem Kirchhof. Was sollte er jetzt tun? Verzweifelt presste Emeram seine heiße Stirn auf den kalten Steinboden.
Nur die Beichte konnte ihn erlösen. Aber wem sollte er seine Schuld bekennen? Sollte er den Bischof bitten, ihm die Beichte abzunehmen? Die Wendung, die in dem Gedanken lag, ließ ihn bitter auflachen. Das halb erstickte Geräusch erschütterte die Stille und erschreckte ihn selbst.
Ob es meine Seele erleichtern würde, wenn ich dem Burggrafen mein Vergehen bekennen würde?, überlegte er, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Wenn er das tun würde, würde er zum zweiten Mal Verrat begehen, würde ein zweites Mal Schuld auf sich laden.
Seufzend richtete er sich auf. Nein. Für ihn würde es keine Erlösung mehr geben. Er würde im ewigen Feuer der Hölle braten, von Dämonen gejagt. Die Posaune des sechsten Engels würde in seinen Ohren dröhnen; er würde die Rösser mit den Löwenhäuptern erblicken, und sie würden ihn mit Feuer, Rauch und Schwefel verschlingen …
Das Quietschen der Pforte riss ihn aus seinem apokalyptischen Alptraum. Am ganzen Leib zitternd, drehte Emeram sich um und sah seinen Gehilfen unschlüssig unter dem Türbogen stehen. »Ich wollte Eure Andacht nicht stören«, flüsterte der Mann verlegen.
Emeram riss sich mühsam zusammen, atmete tief durch und erhob sich schwerfällig auf die Knie. Sein Blick fiel auf das hölzerne Kruzifix über dem Altar, und er bekreuzigte sich. Dann stand er auf und fragte mit so viel Ruhe, wie er nur aufbringen konnte: »Was willst du?«
»Ihr solltet zum Beinhaus kommen, Herr«, antwortete der Gehilfe hastig. »Wir haben den Toten vom Kirchhof
Weitere Kostenlose Bücher