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Die Verschwoerung von Whitechapel

Die Verschwoerung von Whitechapel

Titel: Die Verschwoerung von Whitechapel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das er nach dem Abschluss der Untersuchung nicht weggeworfen hatte. Er nahm es aus der Tasche und zeigte es dem Kutscher.
    »Haben Sie diesen Mann schon einmal gefahren?«
    Der Kutscher warf einen Blick darauf. »Is das nich der Kerl, der den Mann umgebracht hat, der alte Pötte und so ausgräbt?«
    »Ja.«
    »Polizei?«
    »Ja – aber ich bin nicht im Dienst. Ich habe ja schon gesagt, ich will einem Freund helfen. Das ist nichts Offizielles. Mir ist auch klar, dass Sie mir nichts zu sagen brauchen. Wahrscheinlich
verliere ich meine Anstellung, wenn man dahinterkommt, dass ich der Sache weiter nachgehe.«
    Der Kutscher sah ihn interessiert an. »Und warum machen Sie das dann?«
    »Sag ich doch, ein Freund von mir ist in Schwierigkeiten«, wiederholte Tellman.
    Der Mann sah ihn mit gehobenen Brauen von der Seite an. »Wenn ich Ihnen helfe, helfen Sie mir dann auch – Sie wissen schon, wenn Sie im Dienst sind?«
    »Kommt darauf an, ob Sie was für mich tun können oder nicht«, erklärte Tellman.
    »Ich hab ihn drei- oder viermal gefahren. Sah immer schneidig aus und hatte die Nase hoch in der Luft – wie ein alter Offizier oder so. War aber immer höflich und hat gute Trinkgelder gegeben.«
    »Wohin haben Sie ihn gefahren?«
    »Hierhin und dahin. Meist ins West End, zu Klubs von den feinen Herren.«
    »Was für Klubs waren das? Können Sie sich an Adressen erinnern?« Tellman wusste selbst nicht, warum er dieser Spur folgte. Selbst wenn er die Namen aller Klubs gewusst hätte, die Adinett aufzusuchen pflegte – was würde ihm das nützen? Er hatte keine Befugnis, hineinzugehen und zu fragen, mit wem er dort gesprochen hatte. Und selbst wenn er das herausbekam, hatte es immer noch nichts zu bedeuten. Aber er konnte Gracie sagen, dass er sich Mühe gegeben hatte.
    »Genau nich. Bei einem war ich noch nie gewesen, hatte irgendwas mit Frankreich zu tun, genauer gesagt, Paris. Es war ’ne Jahreszahl.«
    Tellman verstand nicht. »Eine Jahreszahl? Was wollen Sie damit sagen?«
    »Irgendwas mit 17.« Der Mann kratzte sich am Kopf und schob sich den Hut in den Nacken, »1789 … so hieß der.«
    »Sonst noch irgendwohin?«
    »Ich könnte noch ’ne Pastete vertragen.«
    Tellman bestellte eine, mehr, um dem Mann zu Gefallen zu sein, als ihn zu schmieren. Die Information war ohnehin wertlos.
    »Zu ’ner Zeitung«, fuhr der Kutscher fort, nachdem er die Hälfte der Pastete gegessen hatte. »Zu der, die es immer mit Reformen und so hat. Er is dann mit dem Mann rausgekommen, dem sie gehört. Der heißt Dismore – das weiß ich, weil ich den in der Zeitung gesehen hab.«
    Diese Mitteilung überraschte Tellman nicht weiter, denn er wusste bereits, dass Adinett mit Thorold Dismore bekannt war.
    Jetzt verzog der Kutscher das Gesicht und sagte: »Was ich aber wirklich komisch fand, war, dass ’n Herr wie er in die Cleveland Street fahren wollte, noch hinter Spitalfields, am anderen Ende der Mile End Road. Er war ganz aufgeregt, als hätte er was Großartiges entdeckt. In Spitalfields, Whitechapel oder Mile End gibt es aber nichts Großartiges, das weiß jeder.«
    Tellman war verblüfft. »Sie haben ihn zur Cleveland Street gefahren?«
    »Ja … hab ich gesagt. Zweimal!«
    »Wann?«
    »Kurz bevor er bei diesem Zeitungsmann war. Er war ganz aufgeregt. Ein oder zwei Tage danach hat er den armen Kerl umgebracht. Is doch komisch, was?«
    »Danke«, sagte Tellman. Es war ihm ernst. »Vielen Dank. Ich würde Ihnen gern irgendwo hier in der Nähe ein Glas Bier spendieren.«
    »Gerne, besten Dank.«

Kapitel 5
    D as Leben in der Heneagle Street fiel Pitt ausgesprochen schwer, obwohl sich Isaak und Lea Karansky die größte Mühe gaben, ihm alles so angenehm wie möglich zu machen, und ihn stets freundlich behandelten, wenn sie ihn sahen, was meist bei den Mahlzeiten der Fall war. Zwar war Lea eine glänzende Köchin, doch waren die Lebensgewohnheiten anders als bei ihm zu Hause. Er konnte nicht Tee trinken, wann ihm danach war, gegessen wurde zu festgesetzten Stunden, und es gab weder Kuchen noch selbst gebackenes Brot mit Butter und Marmelade. Alles war anders, als er es gewohnt war, und der Schlaf, in den er abends vor Erschöpfung fiel, war nicht im Geringsten erholsam.
    Charlotte und die Kinder fehlten ihm mehr, als er für möglich gehalten hatte, sogar Gracie vermisste er; doch tröstete ihn das Bewusstsein ein wenig, dass Charlotte immerhin jede Woche das nötige Geld bekam.
    Immer wieder erinnerten Isaaks und Leas Beisammensein,

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