Die Verschwörung
Möglichkeit geben.«
Faith ging zur Treppe. »Ich bin todmüde. Gibt es noch etwas zu bereden?«
»Verdammt. Ich kann doch nicht einfach abhauen und wieder von vorn anfangen.«
Faith stand auf halber Höhe der Treppe. Sie blieb stehen, wandte sich um und schauten auf ihn hinunter.
»Glaubst du, morgen früh sehen die Dinge besser aus?« fragte sie.
»Nein«, sagte Lee offen.
»Und aus genau diesem Grund gibt es jetzt nichts mehr zu bereden. Gute Nacht.«
»Wieso werde ich das Gefühl nicht los, daß du die Entscheidung, dich nicht zu stellen, schon vor langer Zeit getroffen hast? Ungefähr in dem Augenblick, in dem wir uns begegnet sind?«
»Lee .«
»Du hast mich beschwafelt, mitzukommen. Dann hast du die dämliche Show am Flughafen durchgezogen. Und jetzt sitze ich in der Scheiße. Tausend Dank, Ma’am.«
»So war es nicht geplant! Du irrst dich.«
»Und du erwartest wirklich, daß ich dir glaube?«
»Was soll ich denn sagen?«
Lee schaute zu ihr hinauf. »Mein Leben ist zwar nicht viel wert, Faith, aber ich lebe ganz gern.«
»Tut mir leid.« Sie flüchtete nach oben.
KAPITEL 33
Lee nahm ein Sechserpack Red-Dog-Bier aus der Kühltruhe und knallte auf dem Weg ins Freie die Tür zu. Vor der Honda blieb er stehen und fragte sich, ob er einfach auf die schwere Maschine steigen und losfahren sollte, bis sein Benzin, sein Geld oder sein Verstand alle waren. Dann fiel ihm eine andere Möglichkeit ein. Er könnte allein zum FBI gehen. Er könnte Faith anzeigen und behaupten, von allem nichts gewußt zu haben. Er wußte ja wirklich von nichts. Er hatte keine Straftat begangen. Und er schuldete der Frau nichts. Eigentlich hatte sie ihm das alles eingebrockt. Ihretwegen hatte er beinahe dran glauben müssen. So gesehen, müßte ihm der Entschluß, sie beim FBI anzuzeigen, eigentlich leichtfallen. Warum tat er es dann nicht, verdammt?
Er ging zum Hintertor hinaus und folgte dem Gehweg, der zu den Dünen führte. Er wollte zum Strand, sich das Meer anschauen und Bier trinken, bis entweder seine Gedanken zur Ruhe kamen oder ihm ein genialer Plan einfiel, der sie beide retten würde. Oder wenigstens ihn. Aus irgendeinem Grund drehte er sich um und betrachtete für einen Moment das Haus. In Faiths Schlafzimmer brannte Licht. Die Jalousien waren zwar heruntergezogen, aber nicht gekippt.
Als Faith in sein Blickfeld kam, schreckte er auf. Sie durchquerte das Zimmer, verschwand für eine Minute im Bad und kam zurück. Als sie sich auszog, ließ er den Blick in die Runde schweifen, um festzustellen, ob jemand ihn beim Zuschauen beobachtete. Ein Streifenwagen, dessen Besatzung einen Spanner suchte, wäre ein würdiger Abschluß dieses Tages im wundervollen Leben des Lee Adams gewesen. Doch die anderen Häuser waren dunkel; er konnte seinem Voyeurismus ungestört weiter frönen. Zuerst zog Faith das Hemd aus, dann die Hose. Sie zog sich so lange aus, bis der gesamte Fensterrahmen nur noch Haut zeigte. Doch sie zog weder einen Schlafanzug an noch ein T-Shirt. Allem Anschein nach nächtigte die hochbezahlte Lobbyistin, die sich zu einer Heiligen Johanna gewandelt hatte, im Evaskostüm. Lee hatte ausgezeichnete Aussicht auf alle Dinge, die das Handtuch nur angedeutet hatte. Vielleicht wußte sie, daß er hier draußen war, und legte die Peepshow bewußt für ihn hin. Wozu? Als Ausgleich dafür, daß sie sein Leben ruiniert hatte? Dann ging das Licht aus. Lee öffnete eine Bierdose, drehte sich um und ging an den Strand. Die Show war vorbei.
Als er sich in den Sand fallen ließ, hatte er das erste Bier schon getrunken. Die Flut war im Anmarsch. Lee brauchte nicht weit zu gehen, um nasse Füße zu bekommen. Er öffnete die nächste Dose und ging weiter, bis das Wasser zu den Knie reichte. Es war eisig kalt, doch er stapfte weiter, bis das Wasser ihm um die Oberschenkel schwappte. Dann blieb er stehen, aus einem praktischen Grund: Nasse Pistolen taugten nicht sonderlich viel.
Er schlurfte an den Strand zurück, ließ die Bierdose fallen, zog die patschnassen Turnschuhe aus und joggte los. Er war zwar müde, doch seine Beine bewegten sich automatisch, wie seine Arme, auf und nieder. Der Atem drang in großen, nebligen Wolken aus seinem Mund. Er legte anderthalb Kilometer zurück; wie ihm schien, schneller als je zuvor. Dann ließ er sich in den Sand fallen und rang in der feuchten Luft keuchend nach Atem. Ihm war heiß, dann kalt. Er dachte an seine Mutter, seinen Vater und seine Geschwister. Er stellte sich seine Tochter
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