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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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seine rechte Hand mit der linken.
    Ich sehe seine Nervosität, kann sie mir aber nicht erklären. »Wieso fragst du?«
    Vorsichtig nimmt er Aureljo den Zettel ab. »Hier.« Er deutet auf die dritte Zeile. »Wenn es im Original nicht -ion, sondern -ian heißt, geht es möglicherweise um mich. Es ist letzte Silbe meines Namens.« Ein flehender Blick. Er möchte, dass ich ihn beruhige.
    Ich denke noch einmal genau nach, rufe mir die Situation ins Gedächtnis. Natürlich sind die halben Worte am schwersten zu merken, aber ich bin mir sicher, -ion gelesen zu haben. Trotzdem könnte Dantorian mit seiner Befürchtung recht haben; jeden einzelnen Buchstaben habe ich nicht geprüft.
    »Beschwören kann ich es nicht«, sage ich schließlich. »Ich weiß nur, dass ich mir als Merkhilfe ein Ion vorgestellt habe, ein geladenes Teilchen. Aber es besteht die Möglichkeit, dass ich mich verlesen habe. Die Schrift war nicht besonders groß.« Ich nehme den Zettel noch einmal in Augenschein.
    ion, finden, sind sie
    Ich glaube es nicht, aber falls er recht hat: Wie könnte der Zusammenhang dann aussehen? Dantorian, finden, sind sie  … Das Komma irritiert mich. Gäbe es dieses Komma nicht, könnte der Text so lauten: Sobald Sie Aureljo, Eleria, Tomma, Tycho und Dantorian finden, sind sie ohne Zögern zu töten.
    Oder so ähnlich.
    Natürlich könnte es sich auch um einen Interpunktionsfehler handeln, aber das wäre ungewöhnlich. Bei offiziellen Schriftstücken wird großer Wert auf Korrektheit gelegt.
    »Dein Plan ist gut, finde ich.« Dantorian steht von der Bank auf und verschränkt die Arme vor dem Körper, als würde es ihn frösteln. »Du bist so geschickt darin, andere zu täuschen – die Sentinel werden dir die Tollpatschigkeit sicher abkaufen. Und wir sollten wirklich wissen, worum es in dem Dossier geht. Und vor allem, was genau auf dem Papier steht.«
    Ein paar der Frauen in meinem Zimmer schnarchen. Das ist mir bisher noch nie so stark aufgefallen wie in dieser Nacht, in der es mich beim Denken stört. Den Zettel habe ich zusammengerollt im hohlen Stiel meiner Bürste versteckt, trotzdem habe ich ihn ständig vor Augen.
    Dantorian hat etwas gesagt, das die Räder in meinem Kopf zum Laufen bringt, aber noch begreife ich nicht, warum. Seine Angst, er könnte namentlich genannt sein … Tatsächlich gibt es nicht so viele Wörter, die auf -ian enden. Baldrian, Grobian, Median, Thymian. Nicht sehr wahrscheinlich, dass einer dieser Begriffe sich in ein Geheimdokument der Exekutoren verirrt. Passende Wörter auf -ion gibt es dagegen massenhaft: Position, Station, Inspektion, Aktion, Delegation, Situation … Ich könnte die ganze Nacht so weitermachen. Eine völlig nutzlose Anstrengung. Dantorian hat recht, ich muss alles im Zusammenhang lesen und das kann ich nur, wenn ich meinen Plan in die Tat umsetze. Vielleicht schon morgen. Auch wenn Aureljo dagegen ist.
    Ich schließe die Augen und gebe mir Mühe, die Buchstaben zu ignorieren, die im Dunkeln vor mir tanzen. Genug Schlaf ist der Schlüssel für kontrolliertes Handeln.
    In der Grauzone zwischen Schlafen und Wachen reißt plötzlich eine Erkenntnis an mir, so heftig, dass ich mich mit einem Ruck im Bett aufsetze.
    Es muss nichts bedeuten, natürlich nicht. Es ist sogar ziemlich weit hergeholt. Trotzdem wäre es eine Verbindung. Eine Möglichkeit.
    Position, Expedition, Konstruktion, Produktion. Alles Wörter auf -ion.
    So wie Dhalion.

28
    Es dauert zwei Tage, bis ich wieder nach Kuppel 3c, Raum 14 geschickt werde. Ich habe die Zeit genutzt, um mich in meinem Plan zu bestärken, ihn auszuarbeiten und mir vorab Lösungen für mögliche Pannen auszudenken.
    Aureljo ist immer noch dagegen, dass ich mein Vorhaben in die Tat umsetze. Er nennt mein Konzept plump und das stimmt sicher – ich würde nicht einmal so weit gehen, es als Konzept zu bezeichnen. Doch einen besseren Plan haben wir eben nicht.
    Das Tablett liegt ruhig in meinen Händen und ich bin mir jedes Schrittes bewusst, spüre den Boden unter meinen Füßen so deutlich wie nie zuvor. Ich werde erst vor Ort entscheiden, was zu tun ist, und meine ganze Konzentration brauchen, um innerhalb einer Sekunde alle wichtigen Faktoren abwägen zu können.
    Sprechanlage. »Bringdienst ist hier.«
    Die Tür öffnet sich.
    Ich trete ein und sehe auf einen Blick, dass der Tisch diesmal leer ist. Die Exekutoren sind heute nur zu zweit, einer von ihnen, der größere, sitzt vornübergebeugt auf einem Stuhl, den Kopf in beide

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