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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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gewaschen werden und wir sollten ihm den Bart abschneiden.«
    Ihm den Bart abschneiden!
    Ich möchte gern widersprechen, aber es gibt keinen vernünftigen Grund dafür. Nur den, dass Andris seinen Bart sicher behalten will. Andererseits ist das derzeit wohl sein geringstes Problem.
    Ich finde einen Wasserbehälter, Seife und einen Waschlappen – in den letzten Wochen habe ich gelernt, wie man Menschen säubert, die dazu selbst nicht imstande sind. Doch bisher war niemand darunter, der so groß und so schwer ist wie Andris, das kann ich unmöglich alleine schaffen.
    »Sie werden mir helfen müssen«, sage ich schüchtern.
    Behrsen blickt von seinem Datenterminal auf. »Oh. Natürlich.«
    Gemeinsam schälen wir Andris aus dem Hemd, das alle Patienten tragen, das bei ihm aber auch in der größten verfügbaren Größe viel zu knapp sitzt. Darunter liegen Muskeln, Narben, dunkles Brusthaar mit grauen Spuren.
    Ich gebe mir Mühe, sanft und trotzdem gründlich zu sein. Weißt du noch , sage ich stumm zu ihm, wir waren schon einmal gemeinsam in einem Krankenhaus. Zum Sammeln. Du hast von mir verlangt, dass ich drei brauchbare Sachen finde, und das habe ich getan . Es hat geregnet an dem Tag und ich war so gefangen von dem Schauspiel der fallenden Wassertropfen, dass ich vergessen habe, weiterzuarbeiten. Du warst grob zu mir, aber ich denke, du mochtest mich trotzdem. Und ich dich .
    Mein stummer Monolog hilft mir. Er lässt mich glauben, dass Andris wieder aufwachen wird und ich nicht nur ein lebloses Stück Fleisch wasche, denn so sieht er aus und so fühlt er sich an. Bleich, kalt und kraftlos.
    »Du machst das gut«, sagt Behrsen und wendet sich den Proben auf dem Arbeitstisch zu. Es sind gewöhnliche Phiolen mit einem Plastikdrehverschluss und sie sind voll Blut. In zwei von ihnen stecken Teststreifen.
    So haben sie im Medcenter die Erbgutspender getestet.
    Ich bin dabei, Andris’ Stirn und Hals zu waschen, wobei ich gleichzeitig versuche, einen Blick auf die Beschriftungen der Röhrchen zu werfen. Planen sie etwa, Andris’ Gene für die nächste Generation von Vitros zu verwenden? Wollen sie besonders große und kräftige Kinder zeugen?
    Der Genpool braucht immer wieder Auffrischung, das ist kein Geheimnis, aber meistens genügt es, Material aus weit entfernten Sphären anzufordern. Dass Außenbewohner als Spender herangezogen werden, habe ich bisher noch nie gehört.
    Für den Bart brauche ich eine Schere und am besten auch einen Kamm. Das kleine Schränkchen mit den Pflegeutensilien steht an der gegenüberliegenden Wand; dort sollte ich auch eine Verbandsschere finden. Während ich danach krame, macht Behrsen sich an dem Tropf zu schaffen. Injiziert etwas in den Beutel, so weit oben, dass nichts von der unten verbliebenen Flüssigkeit auslaufen kann.
    Verabreichen sie ihm auf diese Weise die Antibiotika?
    Ich habe die Schere gefunden und gehe zum Bett zurück, versuche dabei einen unauffälligen Blick in den Recyclingmüll zu werfen und lese den Namen Narcovac auf dem Zylinder der Spritze.
    Das ist kein Antibiotikum, sondern ein Narkosemittel, wenn ich mich richtig erinnere. Damit haben die Ärzte am Medcenter Patienten mit großen Schmerzen in Schlaf versetzt, manchmal über Wochen hinweg.
    Andris soll also nicht aufwachen, denke ich grimmig. Natürlich, dann müssten sie ihn auch am Bett festschnallen. Freiwillig würde er keine Minute hierbleiben.
    »Ich schneide den Bart auf Kinnlänge«, schlage ich Behrsen vor. »Denn wissen Sie, wenn der Prim … ich meine, der Außenbewohner, wach wird, soll er nicht wütend werden. Ich bin sicher, er ist stolz auf seinen Bart.«
    In Behrsens Nicken, in seinem Schulterzucken, liegt etwas Mitleidiges. Wie du glaubst, Kleines . Doch davor hat er eine halbe Sekunde zu lang gezögert und mir damit verraten, dass ein Wachwerden für Andris überhaupt nicht geplant ist.
    Offenbar ist Behrsen mit meiner Arbeit zufrieden, denn zwei Tage später lässt er mich wieder zu sich rufen.
    »Du gehst nicht«, protestiert Albina. »Es reicht ja wohl, dass diese Wichtigtuer unsere Einrichtungen, Geräte und Medikamente verwenden – meine beste Assistentin stelle ich ihnen nicht auch noch zur Verfügung!«
    Osler legt ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Sie werden nicht mehr lang hier sein, ich habe nachgefragt und man hat es mir von oberster Stelle bestätigt. Aber bis sie abreisen, sollen wir ihnen jede Unterstützung zukommen lassen.«
    »Wenn es nach mir ginge, könnten sie

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