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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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nach seiner Herkunft auf ein Minimum reduzieren. Aber selbst wenn er den Tonfall nicht ganz hinbekommt – auf keinen Fall darf er sich anhören wie ein Elitestudent. Auch eine Form der Tarnung.
    »Du sprichst die R zu hart.« Bojan sagt noch einmal »Ernte« und »wird«.
    »Weicher. Und wenn du Jahr sagst, darf man das R gar nicht hören. Sprich einfach nur ein lang gezogenes A.«
    Im Kopf mache ich die Übungen mit, flüstere die Sätze vor mich hin. Ich mache etwa doppelt so schnell Fortschritte wie Aureljo, aber das ist ein unfairer Vergleich, weil Sprachen schon immer mein Metier waren. Ich höre den Tonfall, die Melodie und kann beides nach kurzer Zeit in mein System integrieren. Dann lässt es sich abrufen, verlässlich.
    »Borg mir bitte deine Schaufel« ist der nächste Satz, an dem die beiden feilen. Aureljo kämpft, er verbeißt sich in die Lektion, bis Bojan zufrieden ist.
    Ich habe mich gegen die Wand gelehnt und drücke mein Kissen an mich. Ich könnte Aureljo stundenlang ansehen, ich habe sein Gesicht schon geliebt, bevor er operiert wurde. Sein offenes Lachen, die wachen Augen. Durch die Arbeit der Chirurgen kommen diese Qualitäten noch besser zur Geltung. Er ist zum Anführer ausgebildet worden, er hat alle nötigen Fähigkeiten – und er sieht aus wie jemand, dem die Menschen mit Freude folgen.
    Wärt ihr ein Wolfsrudel, wärst du die Leitwölfin .
    Ich vertreibe die Erinnerung aus meinem Kopf. Der Satz macht mir Angst, ohne dass ich sagen könnte, warum. Vielleicht weil darin mitklingt, dass Aureljo eines Tages nicht mehr hier sein könnte und ich dann an der Reihe wäre … Die Gewissheit, dass es genau darauf hinauslaufen wird, dass er genau dafür im Moment trainiert, kommt mit einem Schlag. Ich habe es schon vorher gewusst, natürlich, aber begreifen kann ich es erst jetzt. Er wird gehen. Ich werde allein sein. Ich werde wissen, dass er nicht wiederkommt, es aber gegen jede Vernunft trotzdem hoffen.
    Als Bojan geht und Tomma schläft, nehme ich Aureljo bei der Hand und schlage ihm einen Spaziergang vor, was ihn erst zum Lachen reizt, dann aber verblüfft, als er merkt, dass es mir ernst ist.
    »Ich habe Licht«, erkläre ich und lasse den Strahl der Lampe über die Ziegelwände wandern, bevor ich Aureljo auf den Gang hinausziehe. Nach links. Dort gibt es ein paar kleinere Keller, halb leere Lagerräume. Ich wähle einen, der in sich verwinkelt ist, an der rechten Wand stehen große Metallkisten – Transportbehälter aus den Sphären.
    Wir waren so lange nicht mehr allein miteinander. Ich stelle die Lampe auf eine der Kisten, wo sie höchstens noch eine halbe Minute lang Licht spenden wird, wenn ich den Hebel nicht betätige, aber das ist egal. Ich muss nichts sehen.
    Meine Hände suchen sich einen Weg unter Aureljos Jacke, unter sein Shirt; sie sind viel kälter als die glatte Haut, die sich über seine Rückenmuskeln spannt.
    Das Licht verlöscht, im selben Moment spüre ich Aureljos Mund auf meinem Haar, dann meiner Stirn, meinen Lippen. Fast habe ich vergessen, wie gut er schmeckt.
    Sein Körper ist ein Stück Zuhause, so vertraut. Ich habe meine Heimat aus den Sphären mitgenommen, wieso wird mir das jetzt erst klar?
    Wir lassen uns zu Boden sinken, ich liege halb auf ihm, zerre am Verschluss seiner Jacke, während er meine öffnet.
    »Ich habe solche Sehnsucht nach dir, Ria.«
    »Und ich nach dir.«
    Seine Hände auf meiner Haut. Ich vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge, taste nach seiner Gürtelschnalle. Alles ist plötzlich so einfach. So klar.
    »Du darfst nicht gehen.«
    »Ich liebe dich.«
    »Und ich dich. Du darfst nicht gehen. Wir schaffen es hier draußen, wir bauen etwas Neues auf, wir können das. Zusammen.«
    Seine Hände halten inne, ich spüre, wie er mich ein Stück von sich wegdrückt. »Es ist so schön. Lass uns jetzt nicht reden.«
    »Es ist nur schön, wenn ich weiß, dass ich dich nicht verliere.«
    Er schweigt. Seine Hände beginnen wieder, mich zu streicheln. Es fühlt sich mechanisch an.
    »Es kann so viel schiefgehen«, flüstere ich. »Lass uns einen neuen Plan machen, gemeinsam. Du und ich. Wir brauchen die Sphären nicht, wir –«
    Jetzt rückt er endgültig von mir fort. Seufzt. »Ich weiß, was ich tue, Ria.«
    »Ja, sicher, nur –«
    »Es ist ein Risiko dabei. Aber ein kalkulierbares.« Er sucht meine Hand, findet erst nur meinen Arm und tastet sich daran nach unten. »Ich kann nicht weitermachen, ohne zu wissen, was passiert ist. Was uns

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