Die Verschworenen
vorgeworfen wird. Es lässt mir keine Ruhe, verstehst du das nicht?«
Ich möchte ihn wieder an mich ziehen, ihm seine Sturheit wegküssen, ihm klarmachen, dass er ein Leben hat, mit mir, und dass das wichtiger ist als die Hintergründe eines verrückten Irrtums.
»Du weißt, dass du vielleicht tot sein wirst, bevor du auch nur das Geringste herausgefunden hast?«
Sein Daumen streicht über meine Fingerknöchel. »Trau mir doch ein bisschen mehr zu. Ich laufe nicht blind in eine Falle, ich bereite mich vor.« Er zieht mich näher zu sich. »Unser Leben könnte wieder so sein wie –«
Noch bevor er seinen Satz beenden kann, reiße ich mich los. »Wie es war, meinst du das? Es könnte alles wieder in Ordnung kommen und wir machen weiter wie zuvor, nach einer herzlichen Entschuldigung des Präsidenten und ein paar Rückenklopfern für unser erstaunlich langes Überleben in der Wildnis?«
Ich springe auf, stoße gegen etwas. Die Metallkisten. Klappern. Die Lampe muss umgefallen sein. Mit beiden Händen gleite ich vorsichtig über die Kistendeckel, bis ich sie finde.
»All das, was wir erfahren haben, willst du das verschweigen? Vergessen? Die Massaker an den Clans, von denen Lennis uns erzählt hat? Die toten Noraner?« Ich drücke den Hebel der Lampe, Licht flackert auf. Mit meiner linken Hand ziehe ich den Kragen meines Shirts nach unten, bis das Würgemal sichtbar werden muss. »Das da? Sie wollen uns töten, Aureljo. Sie wollen es wirklich, es ist kein Spiel, auch wenn du so tust, als wäre es anders.«
Ich warte seine Reaktion nicht ab, sondern stürze nach draußen und lasse ihn im Dunkeln zurück. In mir pocht das bittere Bewusstsein, dass ich alles falsch gemacht habe. Als hätte ich nicht jahrelang studiert, wie ich Menschen dazu bringe, meine Ideen für ihre eigenen zu halten. Ausgerechnet diesmal bin ich mit der Tür ins Haus gefallen, völlig geradeheraus, ausgerechnet bei Aureljo. Wie dumm von mir, wie unverzeihlich dumm.
Es wäre ein Wunder, wenn sich noch einmal eine Chance ergeben würde, die Sache von einer anderen Seite her anzupacken. Er wird seinen Plan in die Tat umsetzen und ich werde ihn nie wiedersehen.
Weder Tycho noch Dantorian stellen Fragen, als ich allein ins Gewölbe zurückkomme. Sie stochern ein wenig im langsam verglühenden Feuer und wechseln ansonsten nur einen Blick, den ich nicht mitbekommen soll. Ist mir recht.
Ich wickle mich in meine Decke und drehe mich zur Wand, warte mit geschlossenen Augen darauf, dass Aureljo ebenfalls zurückkommt. Die Minuten vergehen. Tycho und Dantorian unterhalten sich mit gedämpften Stimmen, es geht um einen verschütteten Gang, den Tycho gern freilegen möchte, weil er sich große Entdeckungen davon erwartet.
Nach ungefähr fünfzehn Minuten bin ich überzeugt, dass etwas passiert sein muss. Aureljo ist in der Finsternis gestürzt oder hat sich verirrt oder wurde von etwas Namenlosem angegriffen. Ich werde noch zehn Minuten warten, wenn er dann nicht da ist, gehe ich ihn suchen.
Kurz vor Ablauf meiner persönlichen Frist höre ich Schritte am Eingang und Aureljos leise Worte, mit denen er die beiden am Feuer begrüßt. Er kommt nicht zu mir, sondern setzt sich zu ihnen; das Gleiche hätte ich an seiner Stelle auch getan. Er will sichergehen, dass ich schlafe, wenn er sich an meine Seite legt, denn dann kann unsere Auseinandersetzung nicht in die nächste Runde gehen.
Ich atme ruhig, bin aber weiter vom Einschlafen entfernt als je zuvor. Aus Wut auf mich selbst, Enttäuschung über Aureljo und weil ich nichts von dem verpassen will, was er mit den beiden anderen bespricht. Zu Recht, denn es dauert nicht lange und sie wenden sich wieder dem »großen Vorhaben« zu, wie Dantorian es nennt.
In seine Begeisterung hat sich Vorsicht gemischt, wenn ich die Veränderungen in seiner Stimme richtig deute. Vielleicht ist er aber auch nur müde, ich müsste ihn ansehen, um das beurteilen zu können.
Tycho bezeichnet die Idee nach wie vor als bescheuert. »Ich kapiere nicht, warum Quirin euch unterstützt. Ich hätte ihn für klüger gehalten. Außer natürlich, er will euch loswerden, dann hat er einen guten Weg gefunden.«
Leises Lachen. »Er weiß, dass wir uns für die Clans einsetzen werden«, erklärt Aureljo. »Dass wir Wahrheiten aussprechen werden. Und er meint, die richtigen Menschen am richtigen Ort können durch ihre bloße Anwesenheit oft mehr bewegen als eine ganze Armee.«
Dieser letzte Satz ist so untypisch für Quirin, dass ich
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