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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ich gewusst hätte, dass meine Lebensgeschichte hier drin so wichtig ist, hätte ich sie an die Wand der Dusche geschrieben«, sagte ich. »Ich bin festgenommen worden, wie alle ändern auch.«
    »Und weswegen?«
    »Kennst du die traurige alte Geschichte von dem Mann, der seine Frau wegen einer Jüngeren verlässt? Und diese Frau, die hart gearbeitet hat, damit er seine Ausbildung beenden und sein Geschäft aufbauen konnte, hat am Schluss nicht viel mehr als das, was sie am Leib trägt? Tja, und er kriegt die Kinder, weil sie den Kindern ja kein ordentliches Zuhause geben kann, wenn sie kein Geld hat und den ganzen Tag arbeiten muss, um welches zu verdienen.«
    »Ja, von der Geschichte habe ich schon ziemlich viele Versionen gehört.« Sie hielt den Blick geradeaus gerichtet und sprach leise, fast, ohne die Lippen zu bewegen, wie wir alle im Gefängnis.
    »Jedenfalls halte ich den Typ für so ziemlich das größte Arschloch von Chicago. Und deshalb hab' ich ihm sein ältestes Kind weggenommen, einen Jungen, der ein bisschen zuviel wiegt und ziemlich sensibel ist. Aber Daddy gefällt's, wenn er ihn quälen kann, und der Junge weint. Und wenn er weint, dann quält er ihn noch ein bisschen weiter, weil er so ein Schlappschwanz ist. Daddy hat mich verhaften lassen, weil ich das Kind entführt habe.«
    »Soso. Und das Geld für die Kaution hast du nicht gehabt. Alle sagen, du hast einen richtigen Anwalt, nicht bloß 'nen Pflichtverteidiger. Ganz zu schweigen natürlich von deiner Bildung, denn ohne die könntest du ja die Briefe nicht schreiben.«
    »Der Typ hat 'ne Menge einflussreiche Freunde. Der Richter hat die Kaution auf 'ne Viertelmillion festgesetzt. Wenn deine Freunde sich ein bisschen mit meiner finanziellen Situation befassen würden, wäre ihnen klar, warum ich über Nacht nicht so viel Geld zusammenkratzen konnte.«
    »Und wo hast du gelernt, so zu kämpfen? Schließlich hast du in der Dusche zwei ziemlich kräftige Frauen fertiggemacht«, sagte sie. »Angie noch gar nicht dazugerechnet, und die Sache mit der habe ich selber gesehen.«
    »Am gleichen Ort wie Angie«, sagte ich. »Auf den Straßen von Chicago, genauer gesagt Ecke Ninery-first/Commercial Avenue. Aber ich hab' Glück gehabt. Meine Mutter wollte, dass ich 'ne ordentliche Ausbildung kriege; sie hat mich gezwungen zu lernen, während die anderen Mädels auf der Straße schwanger wurden oder Drogen genommen haben.«
    Miss Ruby dachte über das nach, was ich gesagt hatte. »Ich weiß nicht, ob ich dir glauben soll oder nicht. Aber ich habe gehört, dass du dich nach einer jungen Frau erkundigt hast, die auch hier gewesen ist. Die anderen haben mir gesagt, du willst dich mit mir über sie unterhalten. Tja, hier bin ich also. Und ich frage mich, woher du die junge Frau kennst und ob sie vielleicht der wirkliche Grund ist, warum du hier in Coolis bist.«
    Ich ging nicht auf ihre Bemerkung ein. »Ich habe Nicola Aguinaldo nie persönlich kennengelernt, aber ich kenne ihre Mutter. Senora Mercedes möchte sich bei dir bedanken, dass du dich um Nicola gekümmert hast.«
    »Hmm. Die Dankbarkeit hat sie mir aber noch nie persönlich gezeigt.«
    »Sie hat kein Geld und keine Green Card. Sie hat Angst, hier rauszukommen, weil sie am Tor wahrscheinlich ihren Ausweis sehen wollen, und dann benachrichtigen sie die Einwanderungsbehörde. Außerdem kann sie nicht Englisch schreiben. Aber Nicolas letzter Brief hat sie sehr getröstet, weil Nicola ihrer Mutter darin mitgeteilt hat, dass du dich um sie kümmerst.«
    Miss Ruby neigte leicht den Kopf. »Und wieso ist jemand wie du mit Nicolas Mutter befreundet?«
    Ich lächelte. »Ich habe nicht gesagt, dass wir befreundet sind, sondern dass ich sie kenne. Vor meiner Festnahme habe ich Senora Mercedes dabei geholfen herauszufinden, was mit Nicola passiert ist. Weißt du, dass sie gestorben ist?«
    Wieder nickte Miss Ruby leicht.
    »Alle Frauen sagen, dass du alles weißt, was hier im Gefängnis passiert. Ich möchte wissen, was mit Nicola war. Wie ist sie ins Krankenhaus gekommen?«
    »Vielleicht bist du nicht selber bei der Polizei, aber die haben dich hergeschickt, damit du mit mir redest«, sagte sie, versuchte aber nicht, von mir wegzurutschen.
    »Der Polizei ist es völlig egal, wer ein armes Mädchen umgebracht hat, das nicht mal 'ne Green Card hatte.«
    »Und wer hat dafür gesorgt, dass du nach Coolis gekommen bist?«
    »Sagt dir der Name Robert Baladine was?« Als sie den Kopf schüttelte, erklärte ich ihr,

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