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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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aus meiner Brieftasche. Der Kellner stürzte sieh sofort darauf, während die anderen Bediensteten die Tische saubermachten.
    Morrell reichte mir ein paar Eindollarscheine Dann gingen wir gemeinsam die Straße in Richtung Foster Avenue hinunter, wo wir beide unsere Wagen abgestellt hatten. Drummers war nur sieben oder acht Häuserblocks von der Stelle entfernt, wo ich Nicolas Leiche gefunden hatte, aber so, wie die Gegend hier aussah, hätten es genausogut sieben oder acht Kilometer sein können.
    »Ich wünschte, ich könnte mit jemandem sprechen, der etwas über Nicola Aguinaldos Leben vor ihrer Verhaftung weiß«, sagte ich, als Morrell vor seinem Wagen stehenblieb. »Hatte sie vielleicht einen Freund, der sie verprügelt hat, als sie nach Hause kam, und sie auf der Straße hat sterben lassen? Oder war's ihr reicher Chef? Dachte sie, er würde ihr helfen, wenn sie aus dem Gefängnis floh, aber er hat sie statt dessen geschlagen? Irgend jemand indem Haus, in dem sie gewohnt hat, muss das wissen, oder zumindest, mit wem sie geschlafen hat.«
    Er zögerte, als überlege er, ob er etwas sagen sollte. Schließlich holte er seine Visitenkarte heraus und reichte sie mir.
    »Ich werde mit Aishas Familie sprechen und herauszufinden versuchen, ob sie irgend etwas über Senora Mercedes weiß. Ich habe sie nie persönlich kennengelernt. Wenn ich irgend etwas erfahre, das Ihnen nützen könnte, rufe ich Sie an. Und Sie können mich unter der Nummer auf der Karte erreichen.«
    Es handelte sich um die Nummer der Presseagentur, die ihn in der Stadt vertrat. Ich steckte die Karte ein und wandte mich zum Gehen.
    »Übrigens«, sagte er da noch, »wer zahlt Sie nun dafür, dass Sie diese Fragen stellen?«
    Ich drehte mich wieder zu ihm um. »Würden Sie ein bisschen indirekter fragen, wenn ich mein Geld von der Einwanderungsbehörde bekäme?«
    »Nun, ich habe nur überlegt, wie idealistisch Sie wirklich sind.«
    Ich deutete über die Straße. »Sehen Sie die Rostlaube da drüben? Ich bin so idealistisch, dass das der einzige Wagen ist, den ich mir leisten kann.«
    Dann stieg ich in den Skylark und wendete mit einem Aufheulen des Motors, das mich ein bisschen wie einen Teenager in seinem ersten fahrbaren Untersatz klingen ließ. Morrells Honda bewegte sich fast lautlos in Richtung der Kreuzung vor mir. Offenbar verdiente er nicht schlecht mit seinen Berichten über Folteropfer, denn der Wagen war neu. Aber was bewies das? Auch ein Mensch mit strengen Prinzipien muss von etwas leben, und schließlich fuhr er keinen Mercedes oder Jaguar. Aber natürlich wusste ich nicht, wie seine Prinzipien aussahen.

A uf-der-Stelle-treten
    Am nächsten Morgen ging ich früh ins Büro. Ich hatte um elf einen Termin mit potentiellen Kunden und wollte zuvor noch ein paar Dinge erledigen. Zum Beispiel holte ich Erkundigungen über Morrell im Internet ein.
    Er hatte ein Buch über psychologische und physische Folter zur Unterdrückung der Proteste in Chile und Argentinien geschrieben. Außerdem hatte er sich in einem langen Essay für den Atlantic Monthly mit der Rückkehr Uruguays zu einer zivilen Regierung beschäftigt und untersucht, was das für Folteropfer bedeutete. Seine Arbeit über die ZAPU-Kräfte in Simbabwe, die - einst eingesetzt im Befreiungskampf gegen die weißen Kolonialherren - in den achtziger Jahren schreckliche Massaker unter der einheimischen Bevölkerung anrichteten, hatte nach ihrem etappenweisen Erscheinen im New Yorker einen Pulitzer-Preis erhalten.
    Simbabwe? Ich fragte mich, ob er und Baladine sich dort begegnet waren. Aber wahrscheinlich war Baladine gar nicht persönlich im Süden Afrikas gewesen. Er hatte die Sache sicher vom Rapelec-Hochhaus an der östlichen Illinois Street aus organisiert oder die afrikanischen Kunden des Unternehmens in London getroffen.
    Der Herald-Star hatte Morrell interviewt, als sein Buch über Chile herausgekommen war Aus diesem Interview erfuhr ich, dass er ungefähr fünfzig und in Kuba geboren, aber in Chicago aufgewachsen war, Journalismus in der Northwestern University studiert hatte und immer noch ein Anhänger der Cubs war, obwohl er den größten Teil seines Erwachsenenlebens nicht in seiner Heimatstadt verbracht hatte. Und außerdem wusste ich jetzt, dass nur seine Initialen - C. L. -, nicht aber sein vollständiger Vorname bekannt waren.
    Ich fragte mich, wie seine Eltern ihn genannt hatten. Vielleicht hatte er einen Namen, der an eine große Schlacht oder einen wirtschaftlichen Erfolg

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