Die Versuchung der Hoffnung
Selbstbewusstseins.
„Hast du ein Glück. Hier bin ich!“ In manchen Situationen hilft eben nur die Flucht nach vorn.
Jonathan mustert mich, sein Gesichtsausdruck ist gänzlich unergründlich.
„Ich bin ein absoluter Glückspilz. In der Tat. Wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich sonst noch den ganzen Tag suchend über diesen Flur irren müssen.“
Bevor ich mir eine adäquate Antwort zurechtlegen kann, öffnet sich meine Zimmertür und Valerie streckt neugierig ihren Kopf heraus.
Ihr Blick wandelt sich von erstaunt zu erfreut zu … mir fällt kein anderes Wort als verschlagen ein. Innerlich schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie in ihrem Wahn, mich verkuppeln zu müssen, jetzt bloß keinen Blödsinn macht.
„Hallo, John!“, sagt sie und zieht dabei die Wörter so in die Länge, als hätte sie uns bei etwas Unanständigem erwischt.
„Valerie.“ Grinsend und mit verschränkten Armen verbeugt John sich knapp.
„Hope, wenn ich dich mitnehmen soll, musst du dich beeilen …“
Brav trotte ich los und lasse John erbarmungslos in den Klauen des Bösen zurück. Mir ist gerade alles recht, um ihm zu entkommen. In diesem schrecklichen Outfit.
Im Waschraum angekommen beeile ich mich trotzdem. Ich dusche kurz, schminke mich in Höchstgeschwindigkeit, springe in meine Klamotten und sehe zu, dass ich zurück zu meinem Zimmer komme. Wer weiß, was Valerie ihm in der Zwischenzeit sonst alles erzählt.
Als ich den Gang zu meinem Zimmer entlang sprinte, steht Valerie noch immer in der geöffneten Tür und John scheint sich gerade zum Gehen zu wenden. Kaum hat er mich entdeckt, kommt er lächelnd auf mich zu. Er beugt sich zu mir herunter und haucht einen Kuss auf meine Schläfe.
„Wir sehen uns heute Abend!“, flüstert er in mein Ohr. „Mein heißes Häschen!“
Fassungslos starre ich ihm hinterher, bis er, im Weggehen noch einmal lässig winkend, im Treppenhaus verschwunden ist.
Kapitel 7
Valerie lehnt im Türrahmen und scheint sehr mit sich zufrieden.
Ich drängle mich an ihr vorbei und schmeiße meinen Schlafanzug und meinen Bademantel aufs Bett. Meine Füße stecken immer noch, oder vielmehr schon wieder, in meinen Häschenpantoffeln.
„Valerie …“ Meine Stimme ist ganz ruhig, aber gefährlich leise. „Was soll das bedeuten, wenn John zu mir sagt, dass wir uns heute Abend sehen?“
Meine Freundin ist hinter mir ins Zimmer gekommen und überprüft jetzt ihr Make-up im Spiegel über meinem Waschbecken. Als sie sich langsam wieder zu mir umdreht, wirkt sie beinah gelangweilt.
„Vermutlich soll das heißen, dass ihr euch heute Abend seht. So würde ich diesen Satz zumindest interpretieren.“ Jetzt betrachtet sie interessiert den Lack auf ihren Fingernägeln.
Statt einer Antwort schnaube ich wütend. Ich kann es nicht leiden, wenn sie sich so dumm stellt. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil das eine Taktik ist, die ich selbst so gern verwende.
„Valerie! Würdest du jetzt bitte die Güte haben, mir zu erzählen, was du über meinen Kopf hinweg mit John vereinbart hast?“
Seufzend lässt sie ihre Arme fallen, sodass sie ihre Aufmerksamkeit endlich mir statt ihren dämlichen Fingernägeln zuwenden kann.
„Wir haben uns unterhalten. Du warst ja duschen und ich wollte nicht unhöflich sein … Er hat gefragt, ob ich weiß, was du heute Abend machst. Worauf ich geantwortet habe, dass du mit mir auf deinen heiß geliebten Wintermarkt in Auburn gehen wirst.“
„Aha.“ Von diesem Umstand habe ich bis gerade eben nichts gewusst, weil ich diesen verdammten Jahrmarkt nicht ausstehen kann. Aber Valerie versucht mich jedes Jahr dorthin zu locken. Und so wie es aussieht, wird sie dieses Jahr ausnahmsweise erfolgreich sein.
„Ja, aha!“, äfft sie mich nach und schneidet eine Grimasse. Statt ihr böse zu sein, muss ich lachen. Auch Valerie lacht nun, bevor sie fortfährt: „Der liebe Johnnyboy war gleich Feuer und Flamme, als ich ihm davon erzählt habe und wird uns begleiten. Er bringt sogar einen Bandkollegen als Date für mich mit!“
Kopfschüttelnd gehe ich an meinen Kleiderschrank und schmeiße ein paar Sachen für das Wochenende in eine kleine Reisetasche.
Ein von Valerie organisiertes Doppeldate! Wenn ich überhaupt davon zu träumen gewagt hätte, dann hätte ich mir mein nächstes Treffen mit John vermutlich ein bisschen anders vorgestellt. Aber was soll’s. Manchmal muss man im Leben eben nehmen, was man bekommt. Im Falle von Jonathan Petterson sehe ich das
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