Die Versuchung der Hoffnung
Jetzt lehne ich mich zurück und beobachte amüsiert, wie meine Mutter langsam Schnappatmung bekommt.
„Mutter, wo bleiben denn deine Manieren und deine Gastfreundschaft?“, setzt mein Bruder jetzt noch einen drauf, in dem Bewusstsein, dass meine Mutter auf eben diese Tugenden großen Wert legt.
Ich muss gestehen: Ihr dabei zuzusehen, wie sie sich jetzt windet, hin und hergerissen zwischen ihrem moralischen Anspruch, keine Liebhaber ihrer Tochter hier übernachten zu lassen und dem Anspruch, eine gute Gastgeberin zu sein, ist ein Genuss.
„Er kann ja auf dem Sofa schlafen, Liebes“, eilt mein Vater ihr schließlich zur Hilfe und meine Mutter atmet erleichtert durch.
„Gut.“ Mein Bruder sieht wahnsinnig zufrieden aus. „Dann bringt dem armen Jungen doch auch einen Eierpunsch …“
Hoffentlich wird meine Mutter nie erfahren, dass er den größten Teil der Nacht dann doch nicht auf dem Sofa verbracht hat …
Kapitel 19
Silvester verbringe ich mit Val auf einem Konzert von Jonathan und seiner Band. Ich bin mal wieder völlig überwältigt davon, dass der wunderschöne, sexy singende Kerl, der dort auf der Bühne steht, ausgerechnet mein Kerl ist.
Ich liebe es, wie er im Scheinwerferlicht aussieht, wie er sich auf der Bühne bewegt und wie er singt. Und am besten gefällt es mir, wenn er bei jeder Ballade, die er singt, meinen Blick sucht.
Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn. Und ich bin ein wenig stolz auf mich, dass es mir gelungen ist, sein Herz zu stehlen. Als er nach dem Konzert und dem tosenden Applaus zu mir kommt, um mich zu küssen, zerspringt mein eigenes Herz fast vor Freude.
Die Sick Theories befinden sich im Moment ganz eindeutig auf einem aufsteigenden Ast. Die Buchungen für Konzerte werden immer mehr und die Säle dafür immer größer, die Beträge, die sie damit verdienen, immer höher. Selbst wenn John kein Geld von seinem Vater bekommen würde, könnte er im Moment von seinem Anteil der Bandeinnahmen leben. Ich weiß, wie viele Menschen davon nur träumen können, und freue mich wahnsinnig für ihn. Im Frühjahr hat es ihr Manager geschafft, ihnen ein Konzert in einer riesigen Halle zu organisieren, bei dem der Chef einer großen Plattenfirma anwesend sein soll. Das ist eine gute Chance auf einen Plattenvertrag und John bekommt jedes Mal leuchtende Augen, wenn er davon erzählt.
„Du musst dann mitkommen, Hope – unbedingt. Ich brauche dich. Du bist mein Ruhepol. Du gibst mir Halt. Und du bringst uns Glück!“ Er küsst mich lächelnd auf die Nasenspitze und ich freue mich so sehr für ihn, dass ich plötzlich ebenfalls ganz aufgeregt bin.
In den nächsten Wochen stelle ich allerdings fest, dass sein Erfolg, wie so vieles im Leben, auch eine Kehrseite hat. Durch die vielen Konzerte ist er abends und am Wochenende oft unterwegs, sodass wir es nicht immer schaffen, uns so oft zu sehen, wie wir uns das beide wünschen würden, denn ich muss ja auch zur Uni und in der Bibliothek arbeiten und am Wochenende versuche ich, meine Eltern zu entlasten. Mike geht es immer schlechter, sie können ihn immer seltener alleinlassen und ich weiß, wie anstrengend das für alle Beteiligten ist. Also versuche ich, an den Wochenenden nach Möglichkeit nach Hause zu fahren, damit meine Eltern auch mal ein paar Stunden Zeit für sich haben. Zeit, in der sie auf andere Gedanken kommen und vielleicht auch einfach mal ein bisschen abschalten können. Ich kann die Zeit, die ich zu Hause verbringe, zumindest zum Lernen nutzen. Im Mai habe ich mein Studium endlich abgeschlossen und bis dahin stehen so viele Prüfungen an, dass mir ganz schwindelig wird, wenn ich an die Unmengen von Lernstoff denke, den ich in mein armes Gehirn bekommen muss.
Trotzdem schaffen wir es, uns zumindest halbwegs regelmäßig zu sehen. Wenn ich im Wohnheim schlafe und John abends ein Konzert gegeben hat, zu dem ich ihn nicht begleiten konnte, dann kommt er manchmal noch spät nachts zu mir und kuschelt sich mit in mein Bett. Nicht immer bekomme ich dann genügend Schlaf, aber ich genieße seine Nähe einfach zu sehr, um mich darüber ernsthaft zu beschweren.
Meistens aber treffen wir uns in Johns Wohnung, weil dort mehr Platz für uns beide ist als in meinem beengten Zimmer.
Heute wollten wir ursprünglich Essen gehen. Doch draußen pfeift der Wind so kalt und in Johns Wohnung ist es so schön warm und gemütlich, dass wir beschließen, uns stattdessen Essen vom Italiener kommen zu lassen.
„Kann es sein, dass du
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