Die Versuchung der Hoffnung
dich nur nicht mehr mit mir in der Öffentlichkeit sehen lassen willst, jetzt, wo du ein großer Star wirst?“, necke ich John, während wir bei Kerzenschein an seinem Esstisch sitzen und köstliche Pasta essen.
Langsam legt er sein Besteck zur Seite, stützt die Ellenbogen auf dem Tisch auf und legt sein Kinn auf seinen Händen ab, um mich intensiv zu betrachten.
„Ich verstecke dich tatsächlich. Jedoch nur vor den ganzen anderen Männern da draußen. Schließlich kann ich ja nicht mehr immer bei dir sein, um sie sofort mit einem Knüppel zu vertreiben!“ Seine Stimme ist ganz tief und klingt wie Samt und alter, teurer Whisky. „Trotzdem würde ich dich nächstes Wochenende gern zu einem Konzert nach Springfield mitnehmen. Von dort aus ist es nur ein Katzensprung bis in die Berge. Wir könnten uns dort ein Zimmer in einer Pension nehmen, was meinst du?“
„Das klingt total verlockend, wirklich. Nur habe ich meinen Eltern versprochen, am Wochenende nach Hause zu kommen ...“
„So wie fast jedes Wochenende in den letzten beiden Monaten“, stellt er nüchtern fest.
„Sie brauchen mich doch! Sie können doch nicht rund um die Uhr immerzu zu Hause sein, falls mal was mit Mike ist.“
„Sie sind zu zweit, Hope. Sie können sich abwechseln!“ Die romantische Stimmung ist mit einem Schlag dahin.
„Sie müssen doch auch mal etwas zusammen unternehmen können!“ Dass sie genau an diesem Wochenende ebenfalls einen Kurzurlaub geplant haben, erwähne ich lieber nicht. „Das ist meine Familie, John. Ich kann sie doch nicht so hängen lassen!“
„Hope, ich finde es völlig richtig, dass du deine Familie unterstützt. Aber denkst du dabei auch mal an dich? Oder an uns? Ich kann mich kaum erinnern, wann wir das letzte Mal ein Wochenende gemeinsam verbringen konnten. Du kümmerst dich immer wie selbstverständlich um deine Familie und denkst dabei nicht an dich. Ich mache mir Sorgen um dich! Das Studium, deine Arbeit in der Bibliothek, die viele Lernerei. Und mich gibt es schließlich auch noch. Wie lange meinst du, kannst du das durchhalten? Du fährst jedes Wochenende, an dem du nicht arbeiten musst, zu deiner Familie und kümmerst dich um sie. Das ist sehr ehrenhaft, aber meinst du nicht, dass du auch dir selbst ab und an mal ein bisschen Zeit für dich gönnen solltest?“ Zwischen seinen Augenbrauen bildet sich eine steile Falte, als er mich jetzt ansieht. „Bedanken sie sich wenigstens bei dir, Hope, oder finden sie das alles völlig selbstverständlich?“
„Mike bedankt sich immer“, murmle ich ziemlich kleinlaut.
„Das habe ich mir gedacht. Aber was ist mit deinen Eltern? Sagen die ab und an mal Danke?“
Ich sage nichts und beginne schweigend damit, wieder Pasta in meinen Mund zu schaufeln, obwohl mir eigentlich der Appetit vergangen ist. Außerdem bin ich viel zu stolz, um zuzugeben, dass John mit seiner Frage einen wunden Punkt bei mir getroffen hat. Niedergeschlagen blicke ich auf meinen Teller und schiebe das Essen stumm von der einen auf die andere Seite.
Irgendwann höre ich, wie Jonathan seinen Stuhl zurückschiebt, kurz darauf schlingt er von hinten seine Arme um mich.
„Ich liebe dich, Hope. Und alles, was ich will, ist, dass es dir gut geht.“
Ich sage gar nichts und halte ihn nur so fest, wie ich kann.
Das Wochenende bei meinen Eltern verläuft ruhig und unkompliziert. Ich verbringe gern Zeit mit meinem großen Bruder. Wir sehen fern und stopfen uns mit ungesunden Lebensmitteln voll, fast so, wie wir das manchmal gemacht haben, als wir Kinder waren. Nein, vielleicht nicht ganz: Ich stopfe mich mit ungesunden Lebensmitteln voll. Mein Bruder ernährt sich gesund, um seinen Körper nicht noch mehr zu belasten. Mir wird das Herz schwer, wenn ich ihn anschaue und registriere, wie dünn er geworden ist. Und wie blass.
Samstag kommt Valerie bei uns vorbei, was meinen Bruder sogar dazu bewegt, aufzustehen und sich zu uns in die Küche zu setzen. Er scheint heute ohnehin einen guten Tag zu haben, denn er strahlt und erzählt fast den ganzen Nachmittag. Und auch Valerie ist bestens gelaunt.
Irgendwann bekommen wir alle drei Hunger und ich untersuche den Kühl- sowie den Gefrierschrank auf ihren jeweiligen Inhalt.
„Oh verdammt, und dabei hätte ich so gern Eis gegessen.“ Ich schließe den Gefrierschrank und drehe mich mit einem enttäuschten Schnauben wieder um. Beinah im selben Moment baumeln Vals Autoschlüssel vor meiner Nase herum.
„Du weißt ja, wo es Nachschub gibt.
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