Die Versuchung der Hoffnung
nicht.“
Ich sehe, dass er die Arme nach mir ausstreckt und mein Herz beginnt sehnsuchtsvoll schneller zu schlagen. Ich kann das dumpfe, sehnende Wummern in meinem ganzen Körper spüren und es fühlt sich ekelhaft an.
Ich befürchte, mitten auf der Straße zusammenzubrechen, wenn ich noch einen Augenblick länger hier bleibe. „Ich werde mir einen Anwalt suchen und die Scheidung einreichen. Dann bist du wieder frei und kannst dich ganz auf deine Karriere konzentrieren. Das ist doch auch etwas Positives.“ Selbst für meine Ohren klingt das nur wie eine hohle Phrase.
Meine letzten Kräfte mobilisierend schaffe ich es, mich umzudrehen.
„Leb wohl, Jonathan. Ich wünsche dir alles Gute.“ Meine Stimme ist dünn und zittrig.
„Ich liebe dich, Hope“, flüstert John hinter mir, als ich ihn einfach auf der Straße stehen lasse. Ich bin mir sicher, dass er gerade genauso elend aussieht, wie ich mich fühle.
Kapitel 29
+++
Am Tag der Scheidung sitzt Hope blass, dünn und stumm neben ihrem Anwalt und hält den Blick krampfhaft auf ihre Hände gerichtet, die verschränkt vor ihr auf dem Tisch liegen. Zwischendurch presst sie immer wieder ihre Hände so fest zusammen, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortreten.
Sie sieht müde und abgekämpft aus, viel zu dünn, völlig erschöpft und unendlich traurig.
John würde gern zu ihr hingehen, sie in den Arm nehmen, ihr zärtliche Belanglosigkeiten ins Ohr flüstern und sagen, dass alles wieder gut wird. So lang, bis er selbst wieder daran glauben kann.
Er sehnt sich so sehr nach ihrer Nähe.
Aber als er sie jetzt so sieht, ist endgültig deutlich, dass es vorbei ist.
Er muss raus hier, raus aus diesem Raum, in dem ihre Nähe plötzlich unerträglich für ihn geworden ist. Beinah ohne hinzusehen unterschreibt er die Scheidungspapiere und stürmt nach draußen, an die frische Luft, irgendwohin, wo Hope nicht so erdrückend präsent ist wie in diesem verdammten Raum.
Abends ist er so besoffen, dass er bei der Bandprobe in einem Sessel hängt und einschläft, statt proben zu können. Er wird davon geweckt, dass sein Manager ihn unsanft an der Schulter rüttelt.
„Wach auf, John!“
Blinzelnd kommt er zu sich und fühlt sich hundeelend.
„John, jetzt reiß dich zusammen! Sei froh, dass du das Mädchen los bist. Ich habe dir doch einen Gefallen getan, als ich die kleine blonde Schlampe in deine Garderobe gelassen habe … Niemand, der eine Karriere wie du vor sich hat, braucht ein braves Frauchen an seiner Seite.“
John rammt ihm die Faust ins Gesicht. Das knackende Geräusch macht ihm unzweifelhaft klar, dass er gerade seinem Manager die Nase gebrochen hat.
Für einen Moment fühlt er sich großartig. Allerdings dauert dieser Moment leider nur so lang, bis er auf das versiffte Klo des Probenkellers torkelt, um dort einen großen Teil des Gemischs aus billigem Brandy und Cola, das er vorhin getrunken hat, wieder auszukotzen.
+++
Die Scheidung ist schneller über die Bühne gegangen, als ich gehofft hatte. Oder vielleicht auch schneller, als ich gefürchtet hatte. Mein Anwalt hat beinah einen Nervenzusammenbruch bekommen, weil ich auf jegliche Unterhaltszahlungen verzichtet habe, aber ich finde es besser so. Ich weiß, dass diese Scheidung gegen Johns Willen geschieht und ich will ihm nicht zusätzlich finanziell schaden.
Mir geht es schlecht, auch noch Wochen danach. Ich schaffe es kaum, mein Leben irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Und trotzdem weiß ich, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist. Die einzig mögliche für mich.
Dennoch fühlt es sich alles andere als richtig an. Mein Herz sehnt sich, trotz der Verletzung und des Verrats, nach Dingen, die mein Verstand ihm nicht mehr bereit ist zu gewähren. Es sehnt sich nach John.
Eigentlich müsste ich Bewerbungen schreiben, aber ich fühle mich dazu im Moment nicht in der Lage.
Es gibt so viele Nächte, in denen ich wach liege, und mich frage, ob es jetzt wohl andere in Johns Leben gibt. Andere Frauen, die ihm dabei helfen, den Schrecken und die Einsamkeit der Nächte zu überstehen, während ich hier liege und allein bin. Ich hasse jede einzelne von ihnen inbrünstig.
Ich verbringe meine Tage in lähmender Lethargie, die nur von den Phasen unterbrochen wird, in denen ich an meinem Krimi schreibe, der von Kapitel zu Kapitel finsterer und blutrünstiger wird.
Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man.
Jeden Abend bete ich dafür, alt genug zu werden, um das zu erleben.
Neun
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