Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
Sicherheitsdienst der Universität an und gab Michael und Lily Bescheid. Wir verbrachten den Tag im College und auf der Polizeistation, während die Leute von der Spurensicherung und die Gerichtsmediziner ihre Arbeit taten und mögliche Zeugen befragt wurden.
Die Wunde war dem Opfer etwa vierzehn Stunden zuvor zugefügt worden mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge, von hinten. Der Mörder hatte den Schnitt von links nach rechts ausgeführt. Genau wie Poe es bei Emerson gemacht hatte.
Ich hatte keinerlei Zweifel, dass er der Täter war.
Immer wieder sah ich vor mir, wie das Messer an jenem Abend in der Phone Company ihren Hals aufschlitzte und wie ihr Blut aus der Wunde strömte. Im nächsten Moment war es Dr. Turner, ein Mann mit Enkelkindern und einer pinkfarbenen Nelke im Knopfloch, der mit dem Kopf in einer Blutlache zusammengesackt auf seinem Schreibtisch lag.
Seit dem Moment, als wir ihn gefunden hatten, war ich nicht in der Lage gewesen, meine Gefühle in den Griff zu bekommen. Schuld, Angst – andere diffuse Empfindungen, die ich nicht benennen konnte. Alles führte zu einem unkontrollierbaren Chaos, das meinen Herzschlag aus dem Takt brachte.
Em ging es nicht besser. Nach unserer Rückkehr ins Peabody Hotel, hatte sie eine Dreiviertelstunde unter der Dusche verbracht. Jetzt saß sie völlig fertig in Michaels Armen auf dem Sofa. Mittlerweile stand Lily unter der Dusche, und ich saß in der Ecke und versuchte, sämtliche Emotionen zu verdrängen, bis ich es nicht mehr aushalten konnte.
»Em.« Ich griff nach ihrer Hand. Sie sah mich mit ausdruckslosen Augen an. »Überlass mir deinen Schmerz.«
»Wie bitte?«
Ihre Stimme war unnatürlich laut, als hätte sie das Gespür für die richtige Lautstärke verloren. Ich deutete auf ihr Herz.
»Du willst mir meinen Schmerz abnehmen?« Ihre Worte klangen nicht wie eine Frage. Eher wie ein Vorwurf. Ich hatte weder ihr nachfolgendes Lachen noch ihre kurze Antwort erwartet. »Nein.«
Sie war nicht in der Verfassung, um allein mit ihren Gefühlen klarzukommen, schon gar nicht, da sie nicht dazu gezwungen war.
»Ich spüre ihn so oder so, ob ich ihn nun auf mich nehme oder nicht«, versuchte ich, sie zu überreden.
»Tut mir leid, dass meine Gefühle dir Unannehmlichkeiten bereiten.«
»Du weißt, dass ich es nicht so gemeint habe.« Meine Worte klangen harscher als beabsichtigt. Michael beugte sich vor. Ich musste mich beherrschen. »Schließ mich nicht aus, wenn ich dir helfen kann.«
In diesem Moment ging die Badezimmertür auf. Lily trat mit nassen Haaren und geröteten Wangen ins Zimmer. Ich wollte nicht, dass sie unser Gespräch mit anhörte.
»Mir meine Gefühle abzunehmen macht es nicht besser, Kaleb.« Obwohl sie Lily registrierte, sprach sie genauso laut weiter wie vorher. »Wenn sie dir nicht gefallen, solltest du verschwinden. Geh ins Schlafzimmer.«
»Das Schlafzimmer ist nicht weit genug weg.« Ich hätte ihren Schmerz selbst am anderen Ende der Welt noch gespürt. Wenn ich ihr ihre Emotionen abnehmen würde, wäre ich wenigstens in der Lage, sie zu kontrollieren.
»Dann geh irgendwo anders hin. Raus. Raus mit dir!« Ihr Geschrei machte mich vollkommen perplex. Die Em, die ich kannte, attackierte einen mit Fäusten, nicht mit Worten. Ich hatte sie noch nie so irrational reagieren sehen. Michael anscheinend auch nicht, wie mir sein besorgter Gesichtsausdruck verriet. »Dann kann ich mir um dich Sorgen machen, Hauptsache, du fühlst dich besser.«
»Wie weit weg soll ich denn gehen?«, fragte ich. Sie war wie ein drehender Kreisel, der sich der Tischkante nähert.
»Oh, wie konnte ich das vergessen. Du kannst die Situation hinter dir lassen, ohne aus dem Zimmer zu gehen, stimmt’s?« Sie richtete den Blick auf die Minibar. »Warum genehmigst du dir nicht ein paar Schlucke? Da drinnen sind lauter kleine Flaschen, mit denen du alles betäuben kannst.«
Ihre Weigerung, sich von mir helfen zu lassen, machte mich wütend – aus Gründen, die ich nicht benennen konnte. »Ich hab’s dir angeboten, weil ich mir Sorgen um dich mache.«
Michael wollte mich beruhigen. »Sie ist nur wütend. Du brauchst dich nicht um sie zu sorgen. Ich kümmere mich um sie.«
»So wie du dich um alles kümmerst, was?« Irgendetwas löste sich in meiner Brust und drängte meine Vernunft in den Hintergrund. »Immer kommst du angerannt und spielst den Retter. Du hast meinen Vater gerettet. Ich hätte seinen Tod verhindern können, wenn ich mich besser auf Cat
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