Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
danach erkundigen, ich bin in Frankreich«, unterwies er mich. »Du darfst Mailand oder die Lombardei auf keinen Fall erwähnen.«
»Warum müssen wir über diese Reise lügen?«, fragte ich.
»Für unsere Sicherheit.«
»Wissen deine Eltern, wohin du fährst?«
Er nickte. Unter seinen Augen lagen Schatten, und sein Atem roch säuerlich. Er hatte in letzter Zeit wenig Appetit gezeigt und weitaus mehr getrunken, als er es gewöhnlich tat, oft bis spät in die Nacht.
Im April wurde in der Stadt viel über die prunkvollen Feierlichkeiten anlässlich des Georgstags in Windsor geredet. Wie erzählt wurde, nahmen daran neben unserem König und unserer Königin auch die Königinmutter, König Johann von Frankreich und dessen Sohn Phillipp teil. Außerdem waren Ritter aus der gesamten Christenwelt zu einem Turnier erschienen. Ich freute mich schon darauf, Janyn bei seiner Rückkehr versichern zu können, dass Isabella wohlauf war.
In dieser Zeit, an einem Tag wie jedem anderen, ließ mich ein unvermittelter Schmerz in meinem Bauch in der Halle zusammensacken. Momente später schon kniete ich in einer Blutlache. Mir wurde erzählt, meine Schreie seien so laut gewesen, dass die Nachbarn schon mit gezogenen Waffen herbeigeeilt kamen, weil sie dachten, ich würde überfallen. Dame Tommasa und Gwen waren sofort an meiner Seite, aber ich rief weinend nach Janyn, verlangte nur nach ihm. Unglücklicherweise befand er sich in diesem Augenblick auf See mit Kurs auf Mailand und glaubte, dass er mich bei seiner
Rückkehr hochschwanger mit seinem Kind antreffen würde.
Aber so sollte es nicht sein. Und aufgrund der Veränderungen, die er durchmachte, fürchtete ich, dass es lange dauern könnte bis zu meiner nächsten Schwangerschaft. Ich betrauerte dieses Kind, wie ich noch nie etwas in meinem Leben betrauert hatte. Ich hatte mir für meine kleine Bella so sehr ein Geschwisterchen gewünscht, einen Bruder oder eine Schwester, jemanden, den sie lieben und mit dem sie ihre Geheimnisse und Schätze teilen konnte.
»Du wirst noch viele weitere Kinder haben, Alice«, beruhigte mich Dame Tommasa.
Die Hebamme Felice pflichtete ihr bei: »Derlei ist so normal wie ein Husten im Winter und hat keinen Einfluss auf Eure nächste Schwangerschaft.«
Dame Agnes kam und brachte mir edle Speisen, neue Bettvorhänge und einen Kräutertee, der ihr, wie sie sagte, selbst nach einer Fehlgeburt geholfen habe. Sie saß bei mir, sprach von unbeschwerten Dingen oder ließ stumm die Perlen ihrer Paternosterschnur durch die Finger gleiten. Doch über viele Tage hinweg konnte weder sie noch sonst jemand mich trösten. Erst Janyn, der sich mir entzog und Furcht vor der Zukunft hatte, dann dieser Verlust – es schien alles mehr, als ich verkraften konnte.
Bis ich eines Morgens meine süße Bella hörte, wie sie weinend ihrer Amme erzählte, dass sie geträumt habe, ich wäre zusammen mit ihrem Vater fortgegangen und hätte sie alleingelassen. Die Ängste meiner Tochter trieben mich aus dem Bett und ins Leben zurück. Als ich mich in der Halle, wo sie auf dem Boden saß, mit den Beinen strampelte und sich weder von ihrer Amme noch von ihrer Großmutter Dame Tommasa besänftigen ließ, neben sie kniete, versiegten ihre Tränen, und ein Lächeln erstrahlte auf ihrem verschwollenen
Gesicht. Sie streckte die Arme nach mir aus, und einen Wimpernschlag später hielt ich sie fest umschlungen. Sie schmiegte ihren erhitzten kleinen Kopf an meine Brust und stieß einen tiefen, bebenden Seufzer aus. Noch nie hatte ich etwas Kostbareres in meinen Armen gehalten.
Wochenlang behielt ich sie stets in meiner Nähe, ob ich den Garten besorgte, die Bücher prüfte, meine Studien fortsetzte oder Näharbeiten verrichtete.
Ich hatte gehofft, während Janyns Abwesenheit ein wenig Gleichmut zurückzugewinnen, doch mein Gefühl einer unterschwelligen Bedrohung hatte sich nicht zerstreut. Unsere Bekannten luden mich nicht mehr so regelmäßig ein wie im vorangegangenen Jahr, auch wirkten sie weniger freundlich, wenn ich ihnen begegnete. Es entstanden unbehagliche Gesprächspausen, sobald ich mich dazugesellte, und ich wurde für keines der Neugeborenen als Patin bestellt. Letzteres dürfte mit meinem eigenen Kindsverlust zusammenhängen, dachte ich zuerst, erfuhr jedoch später, dass meine Fehlgeburt dabei nur eine äußerst geringe Rolle gespielt hatte.
Mitte Mai fanden eines Tages all diese Besorgnisse ihre Verkörperung in einer menschlichen Gestalt. Ich war mit Gwen
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