Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
bringt er mich um.«
»Red keinen Unsinn, Tim.«
»Er wird noch jemanden umbringen. Eines Tages. Ich denke das schon seit Jahren. Ich habe nur nie gedacht, daß ich es sein könnte.«
Daraufhin herrschte lange Zeit Schweigen. Draußen im Garten, der im Unkraut erstickte, zwitscherten die Vögel.
»Hör dir das an!« sagte Cord nach einer Weile. »Wenn sie die Straße bauen, wird man nichts mehr vom Gesang der Drosseln hören.«
»Nein.«
»Ich hasse Zerstörung, wo immer sie auftritt. Und wenn du der Meinung bist, daß dein Leben zerstört wird, alter Tim, dann werde ich dir, so gut ich kann, helfen. In Ordnung?«
Cäsar wartet
Die Liberty bekam neue Abonnenten. In Gibraltar hatte sie jetzt allein dreizehn Leser. Sie brachte nun auch politische Beiträge, Witze sowie Federzeichnungen von Mary, um die Gedichte zu illustrieren. Viele davon handelten vom Vietnamkrieg. Mary traute sich nicht zu, Gesichter zu malen. Daher zeichnete sie rennende Menschen von hinten, Kriegsmaschinerie und Flammen.
Sie erhielt auch ein höheres Gehalt, und der Getränkewagen wurde durch einen Schreibtisch ersetzt. Ihre Zeichnungen signierte sie mit »Martin Ward«.
Freitag abends ging sie mit Tony und Rob ins Drayton Arms.
Sie bestellten eine Flasche bulgarischen Rotwein und unterhielten sich über ausländische Filme und die Schönheit Jeanne Moreaus. Manchmal bekam Rob beim Wein Sehnsucht nach seinem verlorenen Südafrika mit den Kinos, Milchbars und Jakarandabäumen. Seine Traurigkeit war ihm selbst zuwider. »Entschuldige, Tony«, sagte er dann, »entschuldige, Mart. Beachtet mich einfach nicht. Sprecht von etwas anderem. Diskutiert über Harold Pinter.«
Mary beendete ihre Beziehung zu Georgia. Sie verachtete Georgia, weil diese sie begehrte. Sie versuchte, ihr zu erklären, daß sie nur Frauen lieben konnte, die Männer liebten, nicht Frauen, die Frauen liebten.
Georgia warf eine Lampe nach ihr, die an der Wand zerbarst. Dann fing sie zu schreien und zu weinen an, und ihr Make-up hinterließ schwarze Spuren auf ihrem kalkweißen Gesicht.
Sie waren in Georgias Wohnung. Diese war noch immer günstig gelegen, doch ihre Inhaberin war von allen guten Geistern verlassen. Wie von Sinnen stürzte sie sich auf alles in ihrer Reichweite. Sie holte ihr lindgrünes Kostüm aus dem Schrank und zerrte mit den Zähnen an den Nähten. Sie zerfetzte es. Georgia kam aus einer Familie mit starken Zähnen und Händen. Sie riß sogar einen ganzen Ärmel aus. Dann schleuderte sie Mary das verstümmelte Kostüm an die Brust. Danach machte sie sich über die Kissen her und stach mit der Schere auf sie ein. Sie riß die Löcher weiter auf und verteilte die Federn mit beiden Händen im Zimmer, wo sie wie Distelwolle im Wind umherflogen.
Mary floh rückwärts aus dem Zimmer, doch Georgia stürzte ihr nach. »Niemand verläßt den Raum!« kreischte sie. »Niemand verläßt mich, verdammt noch mal! Ich bin D’Esté Defoe. Wenn hier jemand geht, dann ich , verdammt noch mal! Ich besorge das Verlassen!«
Mary versuchte Georgias fliegende Hände festzuhalten. Sie war viel kleiner als Georgia. Eine Hand schlug ihr ins Gesicht, und sie fiel rückwärts ins Wohnzimmer mit seinem hübschen Blick nach Süden.
Mary fürchtete nichts so sehr, wie geschlagen zu werden. Es erinnerte sie an Sonny. Sie träumte noch immer davon.
Wieder auf den Beinen, rannte sie weg. Sie schlug Georgia die Wohnungstür vor der Nase zu und nahm zwei Stufen auf einmal. Sie wußte, daß sie schneller war, da sie Laufschuhe trug.
Georgia schrieb ihr. Es waren traurige, stille Briefe. Sie versuchte es mit Galgenhumor: »Ich war Schneeweißchen, ließ mich aber davontragen.« – »Du bist ein Mensch mit seltenen Gaben – ich bekam nie eine davon.«
Mary legte sie in eine Schublade. Es erschien ihr grausam, sie wegzuwerfen. Dann warf sie doch alle weg. Sie waren ihr peinlich. Sie war froh, nie solche Briefe voller Selbstmitleid an Mrs. Ranulf Morrit geschrieben zu haben.
Nun fing Georgia an, ihr Geld zu schicken. Mary ließ es zurückgehen. Es kam immer wieder. Das Geld ging hin und her wie etwas, das niemand wollte. Schließlich überwies Mary zehn Pfund an Cord für seinen Fonds »Bürgerinitiative Straßengegner«. Georgia schickte sie eine Postkarte von Jeanne Moreau, auf deren Rückseite sie schrieb: »Ich habe Dein Geld einem wohltätigen Zweck zur Verfügung gestellt. Wenn Du mir wieder welches schickst, geht es den gleichen Weg.«
Danach hörte sie nichts mehr von
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