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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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verstehen?«
    »Es ist nichts Schlimmes«, sagte Velsmann, »das verspreche ich dir.«
    Andrea hatte den Schock ihres kleinen Unfalls offenbar noch nicht ganz überwunden. »In einer Stunde gibt es Mittagessen«, sagte sie monoton, ohne das Gesicht zu verziehen, und las weiter.
    Velsmann beeilte sich, wieder in Tibors Computer-Stübchen zu kommen. Sein Sohn hatte die Augen geschlossen. Als Velsmann eintrat, öffnete er sie und blickte seinen Vater mit einem so durchdringenden Blick an, dass dieser erschrak.
    »Was ist denn?«, fragte Velsmann.
    »Ich habe mich gerade gefragt, warum es zwischen uns nicht immer so war wie jetzt. Alles passt irgendwie.«
    »Man kann nichts erzwingen«, sagte Velsmann. »Es ordnet sich von selbst, glaube ich. Aber wenn du jemanden suchst, dem du dafür danken willst, dann geh zu deiner Mutter.«
    »Soll ich weitermachen?«
    »Bevor du weitererzählst, möchte ich dich bitten, die Kopie des Pergamentes nicht offen herumliegen zu lassen.«
    »Warum das denn?«
    »Egal. Schließ sie weg. Oder noch besser, gib sie mir. Und sichere die Daten im Laptop gegen ungebetene Besucher.«
    »Das mache ich sowieso«, sagte Tibor und händigte seinem Vater das inzwischen reichlich abgegriffene Papier aus.
    Velsmann faltete es zusammen. »Bevor du weitermachst, beantworte mir eine Frage.   – Ich kann dir doch vertrauen?«
    »Was meinst du?«
    »Ich meine, du wirst uns nicht in irgendein Gestrüpp führen, wo sinnlose Dinge herumliegen? Ich muss das wissen, denn du kannst mir alles Mögliche erzählen, wie es die Klugscheißer aus der IT-Branche pausenlos tun, ich bin deinen Computer-Kenntnissen nicht gewachsen.«
    »Es ist pure Mathematik, nichts weiter, Papa! Keine Astrologie oder Esoterik, und ich will dir ja auch nichts verkaufen.«
    »Na, dann   …«
    »Hör zu! Ernsthafte Leute wie Isaac Newton, Entdecker der Gesetze unseres Sonnensystems und der Schwerkraft, haben sich mit solchen Sachen beschäftigt. Newton glaubte felsenfest daran, dass das gesamte Universum ein von Gott verfasstes Kryptogramm sei, das eine Prophezeiung der Menschheitsgeschichte enthalte, auf geniale Weise in der Bibel verschlüsselt. Er konnte es nur nicht lösen, obwohl er es sein ganzes Leben lang versucht hat, weil es eine Art Zeitschloss gab. Erst mit dem Computer kann ich dieses Zeitschloss knacken.«
    »Wieso? Geht es um die urchristliche Apokalypse, um Stochern im Kaffeesatz der Bibel?«
    »Nein. Es geht mir nur darum herauszukriegen, warum Clemens seinen Text auf die Handschrift gelegt hat. Ob er tatsächlich eine Botschaft für uns bereithält.«
    »Und das hast du jetzt verstanden?«
    »Ich glaube schon.«
    »Du hast eine Stunde Zeit.«
    »Fangen wir hier an.   – Clemens schreibt im Januar 1799 an seine Schwester: Es traten traurige Gestalten in meine Bahn, die von jeher zu mir gesellt waren. Wenig später an Savigny: Ich fühle es an meinen Wurzeln, dass unterirdische Weber neben mir stehen, denn ich habe viel zu tun, dass sie mich nicht einknüpfen   … Ich habe nicht gleich verstanden, was er damit meinte, später ist es mir klar geworden. Es hat mit der Prophetie zu tun, die Aja Goethe über ihn verhängte   – du hast mir davon erzählt, weißt du noch?«
    »Aber wie machst du das? Was gibst du ein? Welche Zitate benutzt du? Du musst doch eine Zielvorgabe haben, um zu Ergebnissen zu kommen?«
    »Das alte Problem der Erkenntnistheorie. Ich habe ein Ausgangsinteresse, es heißt: LIEBE.«
    »Es muss an den Genen unserer Familie liegen, dass wir uns von Zeit zu Zeit in etwas verrennen«, seufzte Velsmann.
    »Jetzt bist du noch skeptisch   …«
    »Ich habe dich mit diesen Sachen infiziert, mein Sohn, das tut mir leid.«
    »Die Auswahl meiner Zitate ist nicht willkürlich, sondern ergibt sich zwangsläufig, es sind die, die nach der Versuchsanordnung übrig bleiben. Ich habe also sehr viel mehr Text eingegeben. Wo keine Bedeutung entstand, musste ich auch nicht weitersuchen.«
    »Die Zitate sind also die, die deiner Versuchsanordnung standgehalten haben.«
    »Genau. Aus diesen Zitaten lassen sich bestimmte Stichworte ableiten, das ist wie eine fette Markierung. Das erste ist natürlich Liebe . Das zweite ist: Verhängnis .«
    »Ich nehme es zur Kenntnis«, brummte Velsmann.
    »Ein Brief an Sophie Mereau im Jahr 1803, als sie sich nach langer Trennung erneut schreiben. Der Pöbel in Ihnen fing an, als Sie mich von sich stießen. Hier nun liegt der ganze Dreißigjährige Krieg, den ich nicht zu schildern

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