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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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Strictioris Observantiae) Zisterzienser der strengeren Observanz. Ein Reformorden, der sich einst von den Zisterziensern gelöst hatte.
    Nequaquam vacuum. Nirgends leerer Raum.
    Was konnte er damit anfangen?
    Er druckte sich alle Ergebnisse aus. Später würde er nach dem Sinn der unbekannten Begriffe suchen. Im Moment schien es ihm wichtiger zu sein, den Zufallsfaktor auszuscheiden. Er etablierte einen anderen Text Brentanos, willkürlich nahm er das Märchen vom Ameleychen, von dem sein Vater ihm erzählt hatte. Der Rechner sortierte vorwärts und rückwärts, der Testfall ergab kein sinnvolles Ergebnis.
    Eine Botschaft ließ sich tatsächlich nur herauslesen, wenn man Brentanos Textauszug aus der Chronika mit dem Computer analysierte.
    Bevor Tibor seine Ergebnisse auswerten konnte, schlug sein Handy an. Er erwartete seinen Vater. Aber stattdessen vernahm er eine fremde Stimme.
    Die Stimme flüsterte. Er konnte nicht erkennen, ob ein Mann oder eine Frau zu ihm sprach. Die Stimme nannte ihm einen Ort, an dem er erwartet wurde. Einen Ort, an dem seine Fragen beantwortet werden sollten.
    »Welche Fragen?«, sagte Tibor.
    Die Stimme wiederholte den Ort, die Zeit, die Umstände.
    »Hallo?«, fragte Tibor. »Wer sind Sie?   – Hallo?«
    Die Verbindung war unterbrochen.

    Er hatte es immer gewusst: Sie gaben keine Ruhe. Sie waren die Pest des Lebens. Für sie gab es keinen Stillstand und keinen Frieden in Gott. Nirgends leerer Raum. Diesen Satz konnte er nicht einmal dann ertragen, wenn er ihn stumm vor sich hin sagte. Selbst dann musste er sich die Ohren zuhalten. Würde einer von ihnen diese Botschaft in seiner Gegenwart brüllen, würde er ihn auf der Stelle erschlagen. Und ihn häuten.
    Hatte es damit zu tun, dass sie sich im Jahr des Erscheinens des Kometen zusammengetan hatten? Im Jahr des Herrn 1606 hatte Halley begonnen, seine düstere Bahn über die Menschen zu ziehen. Eine beängstigende Erscheinung, ein tiefes Zeichen! Sie hatten sich in jenem Jahr ihren Namen gegeben und ihre Mahnung geschrieben, um gegen die Prophezeiung vom Weltende aufzubegehren. Sie begehrten dagegen auf in einer lächerlichen, kraftlosen Geste. Mit einem Zeichen der Liebe. Als hätte Liebe etwas mit dem Hass zu tun, der den Menschen in diese Schöpfung zwang.
    Seitdem suchten sie nach Begründungen, um dem Unheil zu entkommen. Sie fahndeten nach dem tieferen geistigen Hintergrund. Sie sprachen von einem Protokoll für die Menschen, als sei nicht alles von Anbeginn an aufgeschrieben! Erst der unbarmherzige Heeresmann machte dem Spuk ein Ende, als er die richtigen Worte hinzufügte und den Todestag des Menschen nannte.
    Sie hatten geschrieben, das Reich der wahren Ursachen sei verborgen, und wenn es ihnen gelänge, bis dorthin vorzudringen, würden sie zaubern können. Aber niemand war bis dorthin vorgedrungen, oder täuschte er sich? Vielleicht eine vereinzelte Frau. Die Ketzerin. Sie hatte den Vorhang gelüftet und war gerichtet worden. Der Dichter hatte es auch erreicht. Die Welt um mich herum war verzaubert, oder nahm sie nur wieder jenen ursprünglichen Glanz an, den sie einst hatte?
    Er hielt inne und stand jetzt im hinteren Teil des verwilderten Gartens. Mannshohe Staudenbeete, durch die er hindurchtauchte, Bambus und nickende Weißkopfbinsen, die Gewächse umschlossen ihn wie eine zweite Haut. Er ging hindurch wie ein Wind, der keine Schneise hinterlässt. Das konnte er, das war eine seiner Prüfungen. Schon stand er am Kellereingang.
    Er roch sie. Er roch ihre Angst. Ihren Schweiß. Sie war da!
    In seinen Taschen befanden sich die Schlüssel für die Türen hier auf Erden. Keine blieb vor ihm verschlossen.
    Er suchte. Und fand.
    Als er den Schlüssel ins Schloss einführte, hörte er sich selbst, wie er fast unhörbar vor sich hin summte. Und wie seine Gedanken in ihm summten. Eine eigene Melodie. Der Ton vor der Tat, das kannte er. Vor der Gewalt. Wortfetzen.
    Unter Liebe verstehen sie   …
    Er zog die Haustür hinter sich zu. Leise.
    Leise!
    …   eine reine Form der Liebe, die sich nie erschöpft und immer da ist   …
    …   Sie durchdringt die ganze Schöpfung. Liebe. Nirgends leerer Raum   …
    Er richtete sich kerzengerade auf, nahm alles um sich herum in der Dunkelheit wahr, als sei er ein Tier. Die Kellertreppe. Der Aufgang. Oben war eine weitere Tür. Sie öffnete sich, als er die Hände darauflegte. Weiter, nur weiter. Er musste endlich sehen, wie sie erbärmlich unter den Ältesten stand, wie sie zu einem Lamm

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