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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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auf solche Eingänge   – spe-zia-li-siert. Sie nehmen alles ganz genau.«
    »Während wir zur Untätigkeit verdammt sind, weihen Sie uns doch ein bisschen ein, Herr Rosenthal«, sagte der dritte Anwesende. Der Stellvertreter des Landeskonservators war aus Wiesbaden angereist und trug den Namen Anderman. »Wenn es stimmt, was ich bisher gehört habe, muss es sich bei den Sachen schlichtweg um eine Sensation handeln.«
    Rosenthal seufzte sein Sagen-und-Märchen-Seufzen. Die drei Anwesenden trugen jetzt Mienen zur Schau, als freuten sie sich auf eine erbauliche Geschichte.
    Rosenthal wünschte sich, die Experten übernähmen die Führung und er könnte sich wegducken. Und so würde es wohl auch bald sein. Allerdings würde es dann nicht mehr seine Entscheidung sein.
    Wo sollte er anfangen mit dieser Geschichte? Was waren die Tatsachen, und wo begann das Märchen, die Legende? Wann wurde aus dem Geschichtsbuch eine uralte Verkündigung? Und wer traf die Unterscheidung?
    »An einem Januartag des Jahres 1633«, sagte er endlich mit klarer Stimme, »bekam Kloster Eberbach Besuch von einem schrecklichen Kriegsherrn. Der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna hatte das Kloster von seinem König, Gustav Adolf, geschenkt bekommen. Und warum? Wegen des ominösen Pergamentes, das sorgsam in der Bibliothek verwahrt wurde. Man glaubte damals an Prophezeiungen. Ja, mehr noch, man hatte panische Angst davor.«
    »So viel hat sich nicht geändert«, warf Anderman ein.
    »Mag sein. Dieses Pergament, das letzte der für vernichtet gehaltenen Manuskripte, galt jedenfalls als Teufelszeug. Oxenstierna und sein Berater für solche Sachen, sie sollten das Pergament finden und vernichten, damit der Spuk ein Ende haben würde. Sie hielten es für kriegsentscheidend. Oxenstierna hatte es seinen protestantischen Auftraggebern versprochen, vor allem den aufrechten Frauen zu Hause, den Beginen, die mit dem Papst und dem Mönchstum, den Sekten der römisch-katholischen Kirche und all den murmelnden und kauenden Endzeitpropheten in jahrelanger Fehde lagen. Er stand gewissermaßen bei ihnen im Wort. Die Schrift bezog sich wohl auf die Bibel   – oder sie war einfach eine gut ausgeführte Fälschung. Niemand weiß es. Ich weiß es schon gar nicht.«
    »Wir hätten diese Frage jetzt klären können«, sagte Anderman.
    Rosenthal blickte betrübt und fuhr dann fort. »Was Oxenstierna wusste, bleibt sein Geheimnis. Er war jedenfalls Politiker und Soldat, er hatte kein Herz für Schriften, ob alt oder nicht, er kam und säuberte die Klosterbibliothek nicht nur von den ominösen Texten. Die ganze Bibliothek wurde in alle Winde zerstreut. Dafür war vor allem der von Oxenstierna eingesetzte Amtmann Murus verantwortlich. Er ließ das, was im Kloster Eberbach von den Büchern noch da war, in acht Fässer packen und schaffte sie nach Frankfurt zum Hofprediger Johannes Matthiae. Von dort sollte die kostbare Fracht nach Schweden verschifft werden, ging aber in einem Sturm verloren. Das Kloster war zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen, kein Mönch konnte dem Treiben Einhalt gebieten. So wurden unersetzliche Schätze vernichtet.«
    »Und das wissen wir immerhin ganz genau?«, fragte der Stellvertreter.
    »Der letzte Abt hat es gewissenhaft aufgezeichnet, Leonhard Müller von Rüdesheim, der im Jahr 1803 abdanken musste. Übrigens vertritt er auch die These, der Schwedeneinfall während des Dreißigjährigen Krieges habe das Kloster insgesamt gerettet, denn die neuen Herren hatten kein Interesse an der Zerstörung ihres jüngsten Besitzes, aus dem sie lieber Gewinn herauspressen wollten.«
    »Wenn dieses ausgegrabene Papier echt ist, dann kann es damals nicht vernichtet worden sein«, sagte Anderman schlicht.
    »Die Frage der Echtheit   – ich gestehe ja, es handelt sich nur um meine Vermutung, ich begründe das mit zwei, drei Details, die ich flüchtig gesehen habe«, verteidigte sich Rosenthal. »Zum Entziffern bin ich nicht gekommen. Aber ich weiß, wie so was aussieht. Auf der Basis habe ich ein bisschen recherchiert.«
    »Wenn es Sie überzeugt«, nahm Dinslaken Partei, »Herr Rosenthal hat in Kirchengeschichte promoviert. Er kennt die Texte.«
    »Nur damit ich richtig verstehe   – Sie behaupten, wir sprechen über etwas, das den Untergang der Welt für das Jahr 2012 vorhersagt?«
    »So sieht’s aus.«
    »Das ist immerhin im gleichen Jahr, das der Maya-Kalender für unser Weltende voraussagt, das Nostradamus und die Zeugen Jehovas vorhersagen.

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