Die vier Söhne des Doktor March
es, wenn ich Dich »Süße« nenne? Na, Süße? Frag Dich ruhig, weshalb ich Dich »Süße« nenne. Du mußt passen? Weil Du meine Verlobte bist! Erinnerst Du Dich an Mary Pickford? Man nannte sie »die kleine Verlobte Amerikas«, und Du, nun, Du bist eben die kleine Verlobte des Todes, das ist noch besser, nicht wahr? Wirklich, ich schwöre Dir, alle Anstrengungen unternehme ich nur für Dich! Ich werde das unter Deiner Tür durchschieben. (Übrigens habe ich einige Stellen aus Deinem Tagebuch noch mal gelesen, es ist sehr gut, weißt Du, mein Dickerchen, Du solltest es veröffentlichen.)
Jeanies Tagebuch (Tonbandaufzeichnung)
An Schlaf ist nicht zu denken. Diese Geschichte macht mir trotz allem zu schaffen. Eben hat jemand eine Tür geöffnet. Jemand geht herum. Jemand, jemand, jemand, es ist entschieden, ich mach' auf.
Niemand. Der Flur ist wie ausgestorben. Trotzdem bin ich sicher, Schritte gehört zu haben. Und das ist kein Gespenst. Er hat sich versteckt. Er hat sich sicher versteckt. Aber wo? Unter der Kommode? Ich hätte ihn sehen müssen. Das ist doch nicht normal.
Die einzige Erklärung ist, daß er gar nicht hier war. Daß ich ihn nicht sehen kann, weil er gar nicht existiert. Weil ich es bin. Weil ich verrückt bin und alles erfunden habe. Weil es vielleicht sogar sein kann, daß ich sie umgebracht habe.
Ich wartete, aber niemand kam. Nichts weist darauf hin, daß er wirklich hier war. Vielleicht war er auf der Toilette oder am anderen Ende des Flurs, bei den Zimmern der Eltern … Oder vielleicht ist er durch die Wand verschwunden. Körperlos. Ich werde nachsehen. Was habe ich letztendlich zu verlieren?
Das Leben?
Ich spreche ganz leise, weil ich nicht will, daß man mich hört. Ich habe gerade in Jacks Zimmer geschaut, es ist leer. Das Bett ist benutzt, aber der Junge ist nicht drin. Mir ist aufgefallen, daß die Türen der anderen Zimmer auch angelehnt waren, ich habe eine nach der anderen aufgestoßen, aber kein Mensch weit und breit, alle Betten sind leer, es ist unglaublich, die Türen des Doktors und seiner Frau dagegen sind geschlossen, und ich habe nicht gewagt, sie zu öffnen.
Wo sind die Kinder? Was geht nachts hier vor? Ich vermute, daß sie unten sind, ich wage nicht runterzugehen, das ist vielleicht idiotisch, aber ich habe Angst. Andererseits wäre das eine Möglichkeit zu erfahren . Ich weiß nicht, wie ich entscheiden soll … Jemand kommt, Schritte unten, das Licht geht aus, sie kommen nach oben, ich sehe ihre Schatten, schnell, das Schloß, sie sind schon da, ich höre sie scherzen, was haben sie ausgeheckt? Sie gehen an meiner Tür vorbei, ich spüre etwas an meinem Fuß, es ist ein Blatt Papier, sie haben ein Blatt unter die Tür geschoben, sie oder er, wie soll ich das wissen?
Das gefällt mir alles gar nicht. Clarissa … Das darf nicht passieren. Was haben sie bloß unten gemacht? Ich muß schlafen, bei dem Fieber, das ich habe, muß ich mich ausruhen, eine Abwehrstrategie für Clarissa finden, selbst wenn es ein Scherz wäre, Vorsichtsmaßnahmen treffen. Diese Kopfschmerzen bringen mich noch um den Verstand!
Tagebuch des Mörders
Ich bin sicher, daß du oben an der Treppe warst. Nicht wahr, dreckige Schnüfflerin? Ich habe gesehen, wie schnell dein Schatten in deinem Zimmer verschwand. Weshalb fürchtest du dich vor uns, mein Küchenengel? Was für eine lustige Vorstellung! In einer Gruppe bin ich nicht gefährlich, das weißt du genau. Ich glaube, du machst dich verrückt und dann handelst du unüberlegt. Heute ist der Tag vor Weihnachten, heute abend wird die Pute für das Festessen geschlachtet, und rate mal, sie heißt Clarissa, die Pute, und ich bin sicher, daß es dir wieder ganz erbärmlich gehen wird.
Jeanies Tagebuch
Nicht so erbärmlich, wie Du denkst, mein kleiner Liebling, weil ich nämlich Deine Mama gefragt habe, ob ich jemanden einladen kann, und sie konnte nicht nein sagen, ihr seid zu nett, um einem armen Dienstmädchen wie mir das abzuschlagen, und überhaupt habe ich heute morgen, nachdem ich Deinen Wisch gelesen hatte, telefoniert, ihr wart draußen und habt im Schnee herumgetollt, und ich, ich habe telefoniert .
Erinnerst Du Dich an den Kommissar, den hageren Typ, sehr höflich? Ich habe ihn gefragt, ob er den Abend nicht mit uns verbringen möchte; mir war aufgefallen, daß ich ihm gefalle (ja, das kommt vor, selbst bei Dicken wie mir), und außerdem hatte er vor mir erwähnt, daß er neu hier sei und niemanden kenne.
Er sagte, daß er leider
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