Die Vision
Edelsteinen besetzten und aus Silber und Gold gefertigten Ketten und Armbänder, die sie trug, klingelten wie kleine Glöckchen.
»Mein Schwiegervater erholt sich von einer Wunde und kann sich zu Eurer Begrüßung nicht erheben, aber ich werde Euch jetzt vorstellen«, sagte Lady Petronilla und nahm die dunkle Dame mit hinter den Wandschirm, und ich konnte nicht mehr sehen, was vor sich ging. Als die beiden wieder hervorkamen, wurde der Fremden der Ehrenplatz angeboten, den sie auch annahm.
»Ich werde Sir Hugo hier erwarten«, sagte sie vollkommen gelassen und selbstsicher mit ihrem seltsamen Akzent. Die Amme saß auf einer Bank in der Nähe, während das fette Kindchen zufrieden auf einem Zuckerschnuller lutschte. Ein ums andere Mal zog die Amme an dem ausgefransten Saum des Nuckels, damit er ihn nicht ganz überschluckte. Das Kind sah ungewöhnlich aus – feist und friedfertig, mit Speckrollen an den Handgelenken und den kleinen nackten Knöcheln. Es hatte dickes, rabenschwarzes Haar wie seine Mutter und eine milchweiße Haut und große, braune Augen, größer als Kalbsaugen, dünkte mich. Als es krähte, konnte man den niedlichen, hellrosa Kiefer und vier Perlzähnchen sehen. Es wurde verhätschelt wie ein persischer Prinz und betrachtete die Welt mit gutartigem Blick, während die Amme es unter dem fetten Kinn kitzelte und es auf- und abhüpfen ließ und es in einer fremden Sprache pausenlos mit Koseworten überschüttete. Auch das Kind trug eine winzige Kette mit Medaillon und besaß schon kleine, klingelnde Armbänder, und er fuchtelte mit den Ärmchen, weil ihm das Geräusch Spaß machte.
»Mama, wir wollen auch so ein Kindchen haben«, flüsterte Cecily. »So fett und schön.« Die dunkle Dame bekam das Geflüster mit, drehte sich um und nickte Cecily huldvoll zu, ohne daß sie auch nur einen Augenblick ihre aufrechte und königliche Haltung aufgab.
Gebell von Jagdhunden, Hufgeklapper und das klirrende Pferdegeschirr kündigten Sir Hugos Rückkunft an, ehe noch ein riesiger Bock, die Läufe an eine Stange gebunden, mit baumelndem Kopf zum Anschauen in den Palas getragen wurde. Hugo kam an der Spitze seiner Gefährten die Stufen hochgesprungen, blieb jedoch beim Anblick der dunklen Dame, die mitten in der Halle saß, wie angewurzelt stehen. Er schwankte leicht und wurde so weiß wie die Wand, ehe seine Frau ihn ansprach und er sich wieder faßte.
»Herr Gemahl, eine edle Besucherin beehrt unser Haus; Lady Giuseppina, Marquesa di Montesarchio, welche Herrin ausgedehnter Ländereien an fernen Orten ist«, sagte sie auf Französisch und bekam dabei eine ganz spitze Nase. Kühl und gelassen bat Sir Hugo sie noch einmal, mit der Gastfreundschaft seines Hauses vorlieb zu nehmen und fragte sie, was sie hierherführe.
»Ich reise, weil ich ein ungemein heiliges Gelübde erfüllen möchte, eine Pilgerreise, die mein seliger Onkel meinem Vater auf dem Totenbett versprach. Für ihn habe ich mich bereits vor dem heiligen Märtyrer in den Staub geworfen, doch ebenso auch für die Seele meines Herrn und Gemahls, welcher erst kürzlich verschied. Was mich sonst noch hierherführt, wißt Ihr sehr wohl«, erwiderte die Dame äußerst feierlich in ihrem lieblich klingenden, rollenden Französisch mit dem starken Akzent. Sie sah wie eine Kaiserin aus, wie sie dort auf dem Stuhl des Sieur de Vilers saß, und Sir Hugo wie ein bäuerlicher Bittsteller.
»Jedoch, ich bin, dünkt mich, zu spät gekommen, um Euch zu gemahnen, daß Ihr mir die Ehe versprochen habt.« Entsetzen und Aufruhr in der Halle. Lady Petronilla riß vor Schreck die Augen weit auf und griff sich ans Herz. Schließlich gilt ein Verlöbnis genau so viel wie ein Eheversprechen – nur die Kirche kann es lösen, selbst wenn es lediglich als Vorspiel zu einer Eroberung ein paar unter zwei Augen gesprochene Worte waren. Zwei Verlöbnisse, und eines davon nicht gelöst? Lady Petronillas Ehe war vielleicht eine bigamistische Vereinigung – war ungültig? Sir Hugo stand wie erstarrt, aber seine Augen wanderten rasch über die Runde der Gesichter und bekamen den Ausdruck auf dem Gesicht seiner jungen Frau mit.
»Lady«, sagte Sir Hugo frostig, »so hochgestellt Ihr auch sein mögt, Ihr scheint Euch dennoch zu täuschen. Ich kenne Euch nicht. Ich habe nie das Vergnügen einer intimen Bekanntschaft mit einer fremdländischen Marquesa gehabt.«
»Dann leugnet Ihr also, daß dieses Kind hier Euer Sohn ist?«
»Aber ja doch – ei, seht nur, wie dunkel er ist. Der
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