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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Kiefer und sah jedem männlichen Wesen im Saal direkt in die Augen. »Und nehmt etwas zur Verteidigung mit«, fügte er mit drohendem Unterton mit. »Wir wissen nicht, ob diese Leute bewaffnet sind.«
    Außer Mettes verhaltenem Schluchzen war es totenstill im Saal.
    Ein Schlüsselbund fiel zu Boden.
    Dann schrie jemand: »Da ist ja einer von diesen Schweinen!«
    Und tatsächlich: Vor dem Fenster des Gemeindehauses, keine zehn Meter entfernt, lief genau derjenige der drei Männer vorbei, dem Tobin Kiefer und Henk Wawerzinek im Wald Angst gemacht hatten. Diesmal hatte er keine Zielscheibe auf dem Rücken. Das war auch gar nicht nötig.
    Die ersten Scheelbacher rannten bereits zum Ausgang.
    Tobin Kiefer schaltete lächelnd den Projektor aus.
    Die Jagd hatte begonnen.
    *
    Tibursky musste dringend telefonieren. Einfach an einem der Häuser zu klingeln und darum zu bitten, das Telefon benutzen zu dürfen, so wie es ein Hilfesuchender getan hätte, wagte er nicht – seit dem Dorffest stand das außer Frage. Falls er sich recht erinnerte, befand sich neben der Gemeindehalle eine Telefonzelle, von der aus er Polizei und Rettungswagen organisieren konnte. Hoffentlich funktionierte sie auch.
    Die Tür der Gemeindehalle wurde aufgerissen und Tibursky sah mehrere Männer auf sich zu stürmen. Völlig perplex blieb er stehen – wollten diese Leute zu ihm? Suchend blickte er sich um, doch er war der Einzige, der gemeint sein konnte. Der Gesichtsausdruck der Männer verhieß nichts Gutes. Instinktiv gab Tibursky Fersengeld.
    Er war in Form, seine Verfolger dagegen kaum. Dank der Waldläufe und dem stundenlangen Aufenthalt an der frischen Luft war sein Körper durchtrainiert, anders als die meisten Scheelbacher hatte er kaum Speck auf den Hüften. Tibursky war schnell, dafür waren seine Verfolger in der Überzahl. Ohne lange nachzudenken, schlug er den Weg zur Hauptstraße ein, zurück in Richtung Brauerei, zurück in den Wald. Im Ort kannte er sich kaum aus, dort war er Freiwild, doch im Scheelbacher Forst konnte er sich leicht irgendwo verstecken.
    Während des Laufs warf er einen Blick über die Schulter, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie die Gruppe sich aufteilte und eine Hälfte in eine Seitenstraße einbog, während die andere ihm nachsetzte. Sie versuchten, ihm den Weg abzuschneiden. Er legte einen Zahn zu. Wenn er vor ihnen den Waldrand erreichte, hatte er eine Chance.
    Die Straße, die sich am Ende des Weilers in einen Feldweg verwandelte, führte nicht schnurgerade in den Forst, sondern machte einige kleine Bögen; ein Umweg, aber querfeldein über den aufgepflügten Ackerboden zu laufen, würde ihn Zeit kosten. Er lief bereits am Limit: Das Herz schlug ihm bis zum Hals und beim Atmen spürte er Nadelstiche in der Lunge. Sein T-Shirt klebte am Oberkörper.
    Der Asphalt ging in Schotter über. Einmal rutschte er auf dem unebenen Untergrund aus und fiel beinahe hin, konnte sich aber im letzten Moment fangen. Das Schnaufen seiner Verfolger wurde leiser, er hatte sie wohl abgehängt. Das Gewicht, das auf seiner Brust lastete, fühlte sich ein wenig leichter an.
    Etwa dreihundert Meter vom Waldrand entfernt registrierte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ein Pick-up mit mehreren Männern auf der Ladefläche raste auf einem quer verlaufenden Feldweg direkt auf ihn zu. Die Insassen, die hin und her geworfen wurden, klammerten sich mit vor Anstrengung verzerrten Gesichtern fest.
    Seltsam, dachte Tibursky, den Weg von der Schreckenmühle zum Dorf bin ich schon hundert Mal gelaufen, aber dass hier ein weiterer Feldweg vom Dorf abzweigt, ist mir noch nicht aufgefallen. Bei seinem derzeitigen Tempo würde der Wagen den Waldrand vor ihm erreichen und ihm den Weg abschneiden.
    Die Hinterreifen des Pick-ups drehten immer mal wieder auf dem matschigen Untergrund durch und schleuderten den Dreck meterhoch in die Luft. Noch hundert Meter. Tibursky biss die Zähne zusammen. Renn, oder willst du, dass sie dich erwischen?
    Fünfzig Meter. Der Fahrer legte eine Vollbremsung hin, dass der Schotter nur so spritzte, das Gefährt rutschte quer über die Straße und drehte sich um beinahe hundertachtzig Grad, rumpelte über die Böschung in den Acker und kam zum Stehen. Tibursky hörte jemanden schreien.
    Das Fahrzeug steckte mit allen vier Reifen im Ackerboden fest. Der Fahrer versuchte im Rückwärtsgang, auf den Weg zurückzugelangen, aber die Räder drehten durch. Vier Männer, einer davon der Glatzköpfige, der Tibursky gejagt

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