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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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kitzelte. Er lehnte trotzdem ab.
    «Komm, Norbert, nipp ein bisschen daran. Gegen die Kälte. Heute wird schon kein Einsatz mehr kommen. Das Fest ist doch gleich vorbei.» Während er dann doch nicht widerstehen konnte, ein kleines Schlückchen trank und sich seine Zunge verbrannte, zeigte seine Frau mit dem Finger auf den kleinen, dicken Jungen, der weit oben auf der Brücke stand und nervös seinen Theatertext ins Mikrophon stammelte. «Ein süßer Knirps, schau nur   …»
    Der Junge erzählte mit monotoner Stimme die Sage vom Wacholderteufel. Das Publikum applaudierte. Dann setzte dramatischer Trommelwirbel ein, und der helle Spot wurde angeworfen. Man sah einen lila gekleideten Mann, der auf den Felsen vor der Höhenkammer stieg.
    Paulessen verdrängte den Gedanken an die Todesstürze, die hier bereits stattgefunden hatten. In diesen Fällen rückten die Diensthabenden aus Horn aus, er brauchte sich die Schreckensbilder zum Glück nicht anschauen. Doch er hatte Abzüge gesehen von einem jungen Mädchen, das sich einen Spaß gemacht hatte und an ebendieser Stelle herumgeklettert war, um ein Foto von ihrem Freund aufzunehmen. Er hatte diesen Anblick, auch wenn er ihn zum Glück nur zweidimensional ertragen musste, nie vergessen. Mit Erleichterung stellte er fest, dass Ilja Vilhelm, der laut Programm den Wacholderteufel spielte, eine Sicherungsleine trug.
    «Papa, isst du meine Wurst zu Ende?», fragte eines seiner Kinder. Er beugte sich herunter, sah den Mischmasch aus angekautem Fleisch und Ketchupresten und lehnte dankend ab. In diesem Moment ging ein Ruck durch die vielen Leute, die um ihn herumstanden. Einige gaben erschreckte Laute von sich. Schnell schaute Paulessen in Richtung Felsen.
    Der Wacholderteufel stand nun im Scheinwerferlicht, hinter ihm die Steinwand mit dem Fenster, vor ihm nichts. Er lachte. Es sah wirklich zum Fürchten aus. Die Streichinstrumente desOrchesters gaben alles. Langsam senkte sich von der oberen Steinplatte her ein dichter, watteweißer Nebel herab.
    Paulessen hatte das Piepen seines Handys überhört, nur das energische Vibrieren seines Mobiltelefons machte ihn auf einen Anruf aufmerksam. «Entschuldigt mich», sagte er zu seiner Familie und ging einige Schritte zur Seite, um ungestört zu sein. Er nahm das Gespräch an und drückte sich die freie Hand auf das andere Ohr, um etwas zu verstehen.
    «Hallo?» Er hörte die Frauenstimme am anderen Ende kaum. «Hallo? Reden Sie lauter und nicht so schnell, ich kann sonst nichts verstehen!»
    «Ich habe aber keine Zeit!», sagte die flüsternde Stimme.
    «Wer ist denn da überhaupt?»
    «Bei Nacht und Nebel, hören Sie? Der Wacholderteufel ist in Gefahr!»
    «Wie bitte?» Paulessen blickte wieder zu den Externsteinen. Es war Nacht, eindeutig, und der künstliche Nebel über dem Wacholderteufel blähte sich auf wie eine Kumuluswolke. «Was meinen Sie damit?»
    «Unternehmen Sie etwas, Kollege! Der Junge   … bitte   … da sind irgendwelche Chemikalien   … Chlor   …» Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
    Paulessen rief noch ein paar Mal «Hallo», doch das Display verriet ihm, dass ihn niemand mehr hören konnte. Er betätigte die Taste, die ihm eine unbekannte Mobilnummer zeigte. Sofort drückte er auf Rückruf. Was war das nur für eine Warnung gewesen? Hatte er richtig verstanden: Kollege? Es war ringsherum zu laut, um alles gut zu verstehen, aber er war sich sicher, die Frauenstimme hatte «Kollege» gesagt, und er meinte auch, Wencke Tydmers darin erkannt zu haben. Das Freizeichen dauerte an, bis sich eine anonyme Mailbox meldete. Paulessen sprach nichts drauf, beendete die Verbindung mit einem Tastendruck und steckte das Gerät wieder an den Gürtel.
    In Gedanken wägte er das Gesagte ab. Wenn es tatsächlich Wencke Tydmers gewesen war, dann hatte sie gesagt, der Wacholderteufel und der kleine Junge seien in Gefahr, es gehe um Nebel und Chemikalien.
    Noch immer stand der lila Teufel dort oben und lachte aus vollem Hals. Es waren nur wenige Augenblicke vergangen zwischen Am-Glühwein-Nippen und Alarmstufe Rot. Viel zu wenig Zeit, um wohl durchdacht und besonnen zu reagieren, wie es sonst Norbert Paulessens Art war. Es musste schnell gehen.
    Ein kleines Mädchen tauchte nun auf den Felsen auf, legte sich an einer sicheren Stelle auf den Stein. Der Wacholderteufel kletterte am äußeren Rand entlang in ihre Richtung.
    «Was willst du, Fremder, sag es mir!», flötete das Mädchen. Ihre Füße wurden von Nebelschwaden

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