Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
eingehüllt.
    Nebelschwaden   … Jetzt dämmerte es bei Paulessen, und einen Gedankenblitz später war es klar und deutlich: Bei Nacht und Nebel. Da vorne war der Nebel, und Wencke hatte etwas von Chlor erwähnt. Aber konnte das tatsächlich eine Möglichkeit sein? Konnte der Nebel vergiftet sein? Wo sonst sollte das Chlor sein? Und war Chlorgas nicht ungemein gefährlich? Paulessen ging schnell das wenige, aus der Bundeswehrzeit gebliebene Wissen über Kampfmittel durch. Chlorgas verätzte die Lungen, in hoher Dosis führte es schnell zur Bewusstlosigkeit. Eines war klar: Im Nebel war das Chlor nicht nur schädlich, sondern wahrscheinlich sogar tödlich.
    «Ach du Scheiße», entfuhr es Paulessen.
    «Will deine Liebe, gib sie mir», hörte er den Wacholderteufel sagen. War da schon ein kratzendes Geräusch in der Stimme?
    Paulessen hob das Funkgerät an den Mund und lief gleichzeitig in Richtung Externsteine, er musste sich durch die eng gedrängten Menschen hindurchschlängeln und seine Ellbogenbenutzen. «Kollegen, wer ist in der Nähe der Steine? Dringend!» Das Funkgerät knackte.
    Er sah das Mädchen, es gab sich solche Mühe, schaute mit großen Augen zum Publikum: «Ich bin noch jung, noch rein und weiß.»
    «Ich zahle dafür guten Preis.» Jetzt merkte man deutlich, dass der Wacholderteufel Probleme mit der Luft hatte. Ein asthmatisches Pfeifen war zwischen den Worten zu hören.
    «Norbert, was ist los, ich stehe beim hinteren Bierstand», kam die Kollegenstimme endlich.
    «Mach dich auf die Socken und komm nach vorn. Schnell. Ich glaube, es hat jemand Chlor in die Nebelmaschine getan.»
    «Wie kommst du denn auf den Blödsinn? Scheint doch alles in Ordnung zu   …»
    «Ich hatte eine telefonische Warnung. Jemand will den Wacholderteufel fallen lassen!»
    Paulessen hatte sich endlich durch die Leute gezwängt und rannte, so schnell er konnte, zur Treppe. Er war nicht mehr in der Lage zu sehen, was dort oben geschah, er konnte nur noch die Stimmen hören. Das kleine Mädchen und der große Teufel. Solange sie sprachen, war es noch nicht zu spät.
    «Du kannst nicht kaufen meine Liebe.»
    «Und du nicht stoppen des Teufels Triebe.» Ein Hustenkrampf schallte über den ganzen Platz und beendete abrupt den Vortrag. Als das Röcheln nicht aufhörte, stellte dankenswerterweise irgendjemand den Ton leiser.
    Paulessen nahm die ersten Stufen, das Funkgerät im Anschlag. «Hörst du das? Er bekommt keine Luft. Mein Gott, er wird fallen.» Paulessen merkte gar nicht, dass er die Stufen im Schnellschritt nahm. «Sag den Leuten von der Feuerwehr Bescheid. Das Sprungtuch, vielleicht   …»
    «Er hat doch eine Sicherungsleine   …», sagte der Kollege.
    «Wenn sich jemand Zutritt verschafft und die Nebelmaschinemanipuliert, dann wird er sicher auch das Zeug haben, an das Seil zu denken   …» Paulessen war fast oben, er sah bereits die geschwungene Metallbrücke, auf der der kleine Junge stand, sich am Geländer festhielt und hustete. Das Mädchen war zum Glück vom Stein hinuntergekrochen, sie hatte tränende Augen.
    «Aber was soll das Ganze?», wollte der Kollege wissen. Doch Paulessen sagte nichts. Das war im Moment nun wirklich zweitrangig. Er wusste ohnehin keine Antwort darauf, warum ein Mensch es auf den Klinikpsychologen und die beiden Kinder abgesehen haben könnte. Doch er wusste, wenn diese Stimme Wencke Tydmers gewesen war, dann war die Sache reell. Und dann gab es keine Zeit zu verlieren.
    Es war nicht mehr weit. Paulessen hatte den Jungen schon hinter sich gelassen, das Mädchen schien ihn gar nicht richtig zu bemerken, als er vorbeihastete. Nur wenige Schritte noch bis zum Teufel. Inzwischen biss sich der Nebel in seine Lungen. «Schaltet die Maschine ab», versuchte er zu schreien, doch mehr als ein heiseres Rufen kam nicht aus ihm heraus. «Die Nebelmaschine! Ausschalten!» Wie mit kleinen Widerhaken ausgestattet enterte das streng riechende Gas seine Lungen und wollte sie nicht mehr verlassen. Der Wacholderteufel krümmte sich im Scheinwerferlicht. Wegen seiner Maskerade konnte man nicht erkennen, was sich auf seinem Gesicht abspielte, doch die fahrigen Bewegungen, die Halt finden wollten und ins Leere griffen, die wankenden Schritte, dies alles ließ keinen Zweifel, er würde bald stürzen. Paulessen stieg auf den Felsen. Im selben Moment hörte er ein Kreischen von unten. Vielleicht war es seine Frau. Er war wirklich verrückt. Kletterte ohne Sicherung in den Nebel. Seine linke Hand umfasste

Weitere Kostenlose Bücher