Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
aber …«
»Die Schlüssel steckten im Futter. Warum regst du dich darüber so auf? Das ist doch nur eine Bagatelle, Hanne! Der einzige Grund, weshalb ich gekommen bin, um dir Bescheid zu sagen, ist, daß du dich dermaßen auf die Schlüssel versteift hattest, daß ich die Sache lieber gleich klären wollte.«
Hanne gab keine Antwort. Sie saß steif und still da und schaute zum Fenster hinüber. Die Zigarettenasche wuchs langsam zu einer grauen Säule an, die dann lautlos abbrach und zu Boden fiel.
»Na gut«, sagte Silje.
»Na gut«, murmelte Hanne.
»Dann gehe ich«, sagte Silje, und es klang fast, als bitte sie um Erlaubnis.
»Na gut«, wiederholte Hanne, ohne ihre Haltung zu ändern.
»Bis dann.«
Hinter Silje fiel die Tür ins Schloß.
Hanne konnte nicht begreifen, wie die Schlüssel im Futter hatten stecken können. Sie hatte die Taschen untersucht, mehrmals sogar. Sie konnte sich an kein Loch erinnern. Sie glaubte, den Mantel geschüttelt zu haben, wie sie das auch mit ihren eigenen Sachen machte, wenn sie Schlüssel suchte.
Hatte sie wirklich vergessen, den Mantel auszuschütteln?
Ein Junge stand bis zur Taille im eiskalten Wasser. Es war schon dunkel geworden. Es war fast windstill, aber die Temperatur war unter Null gesunken. Die Wolkendecke streifte im Osten den Hügelkamm, das Wetter schien schlechter zu werden. Der junge Mann riß sich das Mundstück aus dem Mund und fluchte heftig.
»Das ist hier doch total flach. Hier kann man ja gar nicht tauchen, zum Teufel!«
Es hatte seine Zeit gedauert, ein Loch ins Eis zu schneiden. Da keiner der drei jungen Männer schon einmal unter Eis getaucht war, hatten sie außerdem Probleme mit der Ausrüstung gehabt. Als das Loch endlich groß genug war und der jüngste von ihnen im einzigen Taucheranzug, den sie hatten beschaffen können, da stand, merkten sie, daß das Wasser viel zu flach war.
»Vielleicht stehst du auf einem Stein«, schlug Audun Natholmen vor; er trug über seinem Gummianzug Daunenjacke und Skihose und hoffte, nicht selbst ins Wasser springen zu müssen. »Geh doch mal ein Stück!«
»Ich soll gehen? Ich hab Schwimmflossen an, verdammt. Geh du doch selber!«
Der dritte schaltete sich ein:
»Wenn es so scheißseicht ist, dann kannst du doch mit der Hand ein bißchen den Boden abtasten.«
»Ich friere.«
Audun faßte sich an den Kopf. Er bereute das ganze Unternehmen allmählich. Zuerst hatte er versucht, einen von den erfahreneren Tauchern im Verein für die Sache zu interessieren. Der Mann hatte nur höhnisch gelacht und gefragt, ob bei Audun eine Schraube locker sei. Mitten im tiefsten Winter werde er ja wohl nicht gratis für die Bullen arbeiten. Das sollte überhaupt niemand tun.
»Du hast zehn bis fünfzehn Einsätze hinter dir, Junge. Und kein einziger davon war unter Eis! Du machst dir keine Vorstellung, was das für eine Strapaze ist.«
Audun murmelte, er werde es vielleicht doch lassen, dann rief er Kumpels aus dem Anfängerkurs an. Sie verfügten weder über Erfahrung noch über eine zufriedenstellende Ausrüstung, aber an Abenteuerlust mangelte es ihnen nicht. Der eine hatte außerdem einen Onkel, der professioneller Taucher und über Weihnachten verreist war, der Junge wußte, wo dessen Ausrüstung versteckt war. Er wollte sie ja nur kurz ausleihen, und niemand würde etwas erfahren.
»Mach schon«, sagte Audun. »Faß mal den Boden an.«
Der Knabe im Wasser suchte mit den Füßen nach festem Halt.
»Verdammt«, stieß er verbissen hervor. »Ich glaube, ich zieh die Schwimmflossen aus. Wartet einen Moment.«
Er versuchte, den Fuß aufs Eis zu heben. Audun hielt seinen Arm, der dritte Kumpel stand daneben und schlang sich vor Kälte die Arme um den Leib. Plötzlich glitt der Taucher rückwärts, Audun konnte ihn nicht halten, und der Achtzehnjährige fiel rücklings ins Wasser und tauchte platschend unter.
»Seht mal«, würgte der Taucher. »Seht nur, Jungs!«
Seine Stimme überschlug sich, und fast wäre er ein weiteres Mal zurückgefallen, ehe er mit gewaltiger Anstrengung seinen Hintern aufs Eis heben konnte. Er fuchtelte in der Luft herum und lachte grell.
»Ich hab ihn gefunden! Scheiße, Jungs, ich hab das Teil!«
In der Hand hielt er einen Revolver. Die beiden anderen starrten das Fundstück wie gebannt an. Audun stieß einen langen Pfiff aus.
»Gib her«, sagte er endlich und fischte feierlich eine Plastiktüte aus der Tasche.
»Der gehört mir«, heulte sein Kumpel. »Dafür gibt’s doch sicher
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