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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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hinsichtlich der von Faith White bewirkten Wunder zwei so konträre Berichte verfassen kann.« Angesichts von Rampinis beleidigtem Schweigen wird Andrews ungeduldig. Er greift in seine Tasche und lässt den Rosenkranz durch die Finger gleiten - ein handliches Bündel Sorgenperlen. »Ich bin sicher, dass ein Mann Ihrer Kompetenz schon öfter mit der Überprüfung religiöser Erscheinungen betraut wurde.«
    »Sehr oft.«
    »Und doch haben Sie sich meines Wissens bisher nie positiv geäußert.«
    Vater Rampini presst die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Das ist richtig. Und ja, aus dem aktualisierten Bericht geht hervor, dass ich diesmal geneigt bin, an eine authentische Vision zu glauben.«
    Der Bischof beschließt, sich dumm zu stellen. Er kratzt sich am Kopf. »Ich muss gestehen, ich bin ein wenig verwirrt, Vater. Selbstverständlich will ich nicht behaupten, als Theologe auch nur halb so kompetent zu sein wie Sie, aber mir scheint, dass ein jüdisches Kind, das einen weiblichen Gott sieht, dem katholischen Dogma widerspricht.«
    Vater Rampini verschränkt die Arme über der Brust. »Ist das eine Aufforderung, meine Erkenntnisse zu rechtfertigen?«
    »Nein, nein. Aber zu meiner eigenen … Erbauung … wüsste ich gerne mehr über Ihren Gedankengang.«
    Rampini räuspert sich. »Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die dafür sprechen, dass es sich um einen authentischen Fall handelt. Der Umstand, dass Faith White nicht katholisch ist, ist zwar unorthodox, Exzellenz, aber noch kein Gegenbeweis. Ich wäre viel misstrauischer, wenn es sich um eine ältere Dame handeln würde, die sechzehn Stunden am Tag betet und plötzlich behauptet, Jesus wäre ihr am Küchentisch erschienen. Faith hat nicht um diese Vision gebeten. Es ist einfach passiert. Außerdem ist sie sehr verschlossen, was ihre Gespräche mit Gott betrifft, und sie versucht, die Wunden an ihren Händen zu verbergen.«
    »Die angeblichen Stigmata«, meint der Bischof. »Haben Sie sie gesehen?«
    »Ja, das habe ich. Ich bin natürlich kein Spezialist in Sachen Stigmata, aber die Mediziner, die das Mädchen behandeln, sind der einhelligen Meinung, dass sie sich die Wunden nicht selbst beigebracht hat.«
    »Sie könnte Hysterikerin sein.«
    »Durchaus möglich«, stimmt Vater Rampini ihm zu. »Nur dass es neben den Wunden noch andere Beweise gibt dafür, dass ihr Gott erschienen ist. Sie ist nicht nur eine Seherin, sondern besitzt offenbar auch heilende Kräfte.«
    »Sie sind hier der Experte, aber ich muss gestehen, dass es mich schon ein wenig beunruhigen würde, dass sie herumerzählt, Gott wäre eine Frau.«
    »Genau genommen tut sie das gar nicht. Die MotherGod Society ist es, die das verbreitet. Faith selbst äußert sich kaum zur Sache. Hinzu kommt, dass sie - wie ich in meinem zweiten Bericht erläutert habe - Gott keineswegs als Frau sieht. Sie sieht unseren Herrn Jesus Christus in seiner traditionellen Kleidung und interpretiert ihn nur als weibliche Gestalt.«
    Bischof Andrews wölbt skeptisch eine Braue. »Das klingt für mich ziemlich weit hergeholt, mein Sohn.«
    »Sie wollen mir sicher nicht erzählen, wie ich meine Arbeit zu tun habe, Exzellenz«, entgegnet Vater Rampini leise. »Sprechen Sie mit ihr, und dann unterhalten wir uns wieder.«
    Die beiden Männer mustern einander eine Weile schweigend. »Sie sind wirklich überzeugt von Ihrem Standpunkt«, stellt der Bischof schließlich fest.
    »Das bin ich.«
    »Sie sind der Ansicht, ich sollte diesen Fall der Bischofskonferenz der USA vortragen.«
    »Ich würde mir niemals anmaßen, Ihnen vorschreiben zu wollen, was Sie zu tun haben.«
    Bischof Andrews legt die Fingerspitzen in einem schrägen Winkel aneinander. »Wissen Sie, das hier ist nicht Akte X, Vater. Ganz egal, was die Öffentlichkeit sich auch wünschen mag, eine spektakuläre Demonstration ist kaum der richtige Weg, wieder mehr Anhänger für die Kirche zu gewinnen. Auch wenn ich Ihrer Empfehlung folgen würde, würde ich nicht überhastet vorgehen. Das Letzte, was ich will, ist als verrückter Spinner auf der Jagd nach übernatürlichen Phänomenen dazustehen. Können Sie sich vorstellen, welchen Schaden das der Diözese zufügen würde? Dem Katholizismus ganz allgemein? Es gibt gute Gründe dafür, dass solche Dinge Jahre in Anspruch nehmen, Vater. Das ist absichtlich so geregelt, damit für den Fall, dass Faith White sich doch als Betrügerin erweist, Sie und ich längst tot sind und die Folgen unseres Irrtums nicht am

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