Die Wahrheit der letzten Stunde
Zufallsbegegnung nicht mit einem Eis feiern?«
Faith ist sichtlich angetan von diesem Vorschlag und wendet sich fragend Mariah zu. »Wir haben keine Zeit«, sagt diese.
»Aber wir haben doch keine …«
»Faith!«, fällt Mariah ihr ins Wort und seufzt dann ergeben. »Also gut. Wir können uns ein Eis holen.«
Ian führt sie zu einer Flughafen-Cafeteria. Er bestellt eine Eiswaffel für Faith und für sich und Mariah eine Cola. »Faith, deine Mutter und ich würden uns gern unter vier Augen unterhalten. Was hältst du davon, wenn du dein Eis an dem Tisch da drüben isst?«
Als Faith gleich darauf losläuft, will Mariah sie zurückrufen, aber Ian legt ihr eine Hand auf den Arm. Einen Moment bekommt sie keine Luft, kann sich nicht rühren. Dann nimmt er die Hand wieder weg. »Lassen Sie sie gehen. Sie können sie von hier aus gut sehen, und Sie sind fünfzehnhundert Meilen weg von den Menschen, die hinter ihr her sind.«
Mariah wendet sich ihm kämpferisch zu. »Wir können Sie einfach stehenlassen. Sie können uns nicht aufhalten.«
»Wollen Sie die Polizei rufen? Das bezweifle ich. Erstens würde das eine Spur hinterlassen, und irgendetwas sagt mir, dass Sie genau das nicht möchten.« Er lächelt traurig. »Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass mich etwas anderes hergeführt hat als Sie und Faith? Das habe ich auch nicht erwartet. Das Problem, Miss White, ist, dass ich Sie dafür bewundere. Und ich würde Ihnen gerne einen Rat geben.«
»Sagte der Fuchs zur Gans«, brummt Mariah.
»Wie bitte?«
»Nichts.«
»Aha. Also, ich wollte gerade sagen, dass Sie nicht vorsichtig genug sein können. Haben Sie schon darüber nachgedacht, wo Sie und Faith wohnen werden?«
Mariah hat nicht die Absicht, ihn in ihre weiteren Pläne einzuweihen, und presst die Lippen fest zusammen.
»Ich wette, Sie wollen in einem Motel absteigen«, fährt Ian unbeschwert fort. »Aber früher oder später werden Sie dahinterkommen, dass eine Frau und ein kleines Mädchen in einem schäbigen Motel zwangsläufig Aufmerksamkeit erregen. Auf der anderen Seite wird es sehr belastend für die Kleine, wenn Sie ständig von einem Motel ins andere umziehen. Also sind Sie auf die Hilfe ortsansässiger Freunde angewiesen, und ich würde wetten, dass Sie derer nicht allzu viele haben. Die zweite Möglichkeit wäre die, eine billige Wohnung zu mieten. Das Problem hierbei ist nur, dass jeder halbwegs vernünftige Vermieter Referenzen verlangen wird. Und die sind schwer zu beschaffen, wenn man anonym bleiben und seinen Aufenthaltsort nicht bekannt geben will. Und hinzu kommt die Schwierigkeit, einen Wagen zu mieten, ohne über Führerschein und Kreditkarte eine so breite Spur zu hinterlassen, dass ihr auch ein Blinder folgen könnte.«
Mariah hat genug gehört und macht Anstalten zu gehen. Zur Hölle mit Ian Fletcher. Zur Hölle mit Kansas City. Es gibt allein an diesem Nachmittag Hunderte von Abschlussflügen; sie muss ihm nur irgendwie entkommen. Aber als sie aufsteht, packt er ihr Handgelenk und hält sie fest. »Ich werde Sie finden«, sagt er leise, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Das wissen Sie.«
Ihr Blick huscht trotzdem weiter über den Flur, registriert die Damentoilette und sämtliche Ausgänge. »Sie sagten, Sie wollten mir einen Rat geben.«
»Das ist richtig. Ich denke, Sie sollten in der Stadt bei einem Bekannten unterkommen.«
Mariah lacht verächtlich. »Natürlich, warten Sie, da sind die vielen Freundinnen aus der Studentenverbindung, die hier in Kansas City leben.«
»Ich habe damit mich selbst gemeint«, entgegnet Ian leise. »Ich denke, Sie sollten bei mir wohnen.«
Mariah starrt ihn lange wortlos an. »Sind sie verrückt?«
Seine Augen sind so blau wie zwei Seen und ebenso verlockend. »Mag sein, Miss White«, gibt er zu. »Sonst hätte ich zweifellos letzte Woche meinem Producer von den Händen Ihrer kleinen Tochter erzählt. Ich hätte dafür gesorgt, dass ein Kamerateam Sie hier auf dem Flughafen empfängt, anstatt ganz allein zu kommen. Ich hätte auf dem ganzen Flug nur darüber nachgedacht, wie ich Sie auffliegen lassen kann, anstatt mir zu sagen, dass ich dieses eine Mal das Richtige tun und Sie verstecken könnte.« Er wirft einen Blick auf Faith. »Das ist das ultimative Versteck. Der letzte Ort, an dem Sie irgendjemand vermuten würde ist… bei mir.«
»Es sei denn, Sie selbst würden uns verraten.« Mariahs Blick bleibt fest. Es ist ihr unmöglich, diesem Mann zu vertrauen, den sie gar
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