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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dichtmachen«, erwidert die alte Dame unbeeindruckt.
    »Das ist eine Schande, Ma’am«, sagt Ian und schüttelt betrübt den Kopf. »Denn Er hat mich geheißen, hier in Camp Perry Seiner Stimme zu lauschen.« Er tritt vor und reicht ihr die Hand. »Verzeihen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Harry Walters, Prediger aus Lou’ville.
    Und das hier sind meine hübsche Frau Maybelle und meine Tochter Frances.«
    »Frances ist ein schöner Name«, meint die Frau. »So heißt meine unverheiratete Tante.«
    »Ja, wir finden den Namen auch besonders hübsch.«
    Die Frau legt den Kopf schief. »Sie sind Prediger, sagten Sie?«
    »Das ist richtig. Und dazu noch ein musikalischer. Ich bin Leiter des Greater Kentucky Hymn Sing, und in diesem Jahr hat der Herr mir befohlen, in Seinem Namen neue Melodien zu komponieren.«
    »Ich bin selbst schon bei solchen Gesangsveranstaltungen gewesen. Ich war schon immer dafür, den Herrn mit Gesang zu erfreuen.«
    »Amen, Ma’am«, sagt Fletcher feierlich.
    Die Frau hebt seufzend beide Hände. »Wer bin ich denn, mich Gottes Wünschen zu widersetzen? Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass die Hütte täglich gesäubert wird, aber ich denke, wenn ich mich umsehe, finde ich irgendwo noch ein paar saubere Laken.« Sie geht zurück ins Verwalterhaus, vermutlich, um einen Schlüssel zu holen.
    Ian Fletcher wendet sich Mariah und Faith zu und verneigt sich andeutungsweise. Mariah kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Der Mann hat vielleicht Nerven! Er kommt zum Wagen und öffnet die Beifahrertür. »Maybelle, Schatz«, sagt er mit einem breiten Grinsen, »sieht aus, als hätte ich ein vorübergehendes Heim für uns gefunden.«
    »Maybelle? Hätte es nicht Melissa sein können oder Marion oder…«
    »Wir sollten uns als Eheleute duzen, findest du nicht? Und ich persönlich finde Maybelle hübsch. Das klingt so … ländlich, nach glücklicher Kuh.«
    Mariah funkelt ihn böse an und dreht sich dann nach Faith um. »Komm, Faith …«
    »Frances«, korrigiert Ian sie sofort.
    »Wie auch immer.« Sie hilft Faith, ihren Rucksack aus dem Wagen zu holen, als die alte Dame aus dem Büro kommt.
    »Ich gebe Ihnen Bungalow Nummer sieben. Ich gehe um neun schlafen, und auch wenn Sie Jesus persönlich ansingen - sorgen Sie dafür, dass von da an Ruhe ist.« Sie weist ihnen den Weg zu ihrer Hütte und lässt sie allein.
    In dem Augenblick, da er über die Schwelle tritt, ist Ian wie ausgewechselt. »Herr im Himmel. Ist hier im vergangenen Sommer jemand gestorben?«
    Mariah, die sich von der Tür aus umblickt, kann ihm nicht widersprechen. Die Hütte als rustikal zu bezeichnen wäre noch schmeichelhaft. Auf dem Boden liegt ein abgewetzter fleckiger Flickenteppich. Vom mittleren Raum gehen zwei Türen ab, von denen die eine in ein Bad von der Größe eines Gästeklos führt und die andere in das einzige Schlafzimmer. Das Mobiliar besteht aus einem Couchtisch, einem fadenscheinigen karierten Sofa und einem zerschrammten Esstisch, auf dem eine bunte Mischung staubiger Tupperdosen thront.
    »Das ist aber hässlich.« Faith macht ein grimmiges Gesicht. »Hier will ich nicht bleiben.«
    Mariah zwingt sich zu einem Lächeln. »Das ist doch ein Abenteuer. Wie Camping, nur dass wir ein Bett haben.« Sie wirft einen Blick nach nebenan ins Schlafzimmer. »Na ja, wenigstens einer von uns.«
    Ian schnaubt verächtlich. »Sie und Faith können das Bett haben. Ich werde mich der Gefahr stellen, mir auf dem Sofa irgendeine ansteckende Krankheit einzufangen.« Er lässt sich auf die Polster fallen, neigt den Kopf, und seine Schultern beben. Im ersten Moment glaubt die verblüffte Mariah, er würde weinen, aber dann prustet er laut los und legt den Kopf in den Nacken. »Gott, wenn mein Producer mich so sehen könnte«, sagt er und wischt sich die Tränen aus den Augen. »Verglichen hiermit ist der Winnebago ja der reinste Palast.«
    Die Erwähnung des Producers macht Mariah etwas bewusst, das sie unterschwellig schon lange irritiert hat. Sie selbst hat panische Angst davor, erkannt zu werden, obwohl sie und Faith nur einigen wenigen bekannt sind. Aber Ian Fletcher ist ein prominenter Name, eine Berühmtheit. Und doch kann er bei Avis einen Wagen mieten, ohne gleich einen Fanansturm auszulösen, und er kann einer alten Dame den Prediger Harry Walters vorspielen, ohne erkannt zu werden. »Wie kommt es eigentlich?« fragt sie ruhig, »dass sie Sie nicht erkannt hat?«
    Ian grinst selbstzufrieden. »Das hier ist der

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