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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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rehabilitiert?«
    »Ab sofort. Sie übernehmen ab heute wieder Ihren Posten.«
    »Dann überlassen Sie mir doch bitte den Fall Sandrine Dumas.«
    »Geht leider nicht. Dafür bin ich nicht zuständig.«
    »Wer ist es dann?«
    »Das ist noch nicht bekannt. Der Staatsanwalt muss erst noch entscheiden.«
    »Versuchen Sie wenigstens, zu meinen Gunsten zu intervenieren.«
    »Das würde nichts nutzen. Nach einem Ermittlungstag wird ein Team nicht mehr verändert. Im Übrigen sind Sie sehr nah betroffen und damit befangen.«
    »Man isst nicht da, wo man scheißt, nicht wahr?«
    Passan bereute seinen vulgären Ausbruch sofort. Calvini hatte recht. Es war zu spät.
    »Werden Sie erst einmal wieder gesund«, meinte Calvini. »Sie sehen schrecklich aus und zittern wie Espenlaub. Sie gehören ins Krankenhaus. Im Übrigen sind da noch ein paar Dinge, die trotz Ihrer Heldentaten nicht unter den Teppich gekehrt werden dürfen.«
    »Was meinen Sie?«
    Der Richter zog eine Schachtel Marlboro aus der Tasche und bot Passan eine Zigarette an. Passan lehnte ab.
    »Sie haben ein paar ziemliche Dummheiten begangen. Zum Beispiel sind Sie hinter Guillard her gewesen, obwohl Ihnen das gerichtlich untersagt war.«
    »Aber inzwischen ist doch klar, dass er schuldig war!«
    »Gesetz ist nun einmal Gesetz. Außerdem haben Sie einen Psychiater mit einer Waffe angegriffen.«
    »Er hat mich nicht verklagt.«
    Calvini blies einen Rauchkringel in die Luft.
    »Sie sind gewalttätig und unkontrollierbar. Für Sie wäre es das Beste, wenn Sie vorläufig in Vergessenheit gerieten. Auf der ganzen Linie. Ich habe auch von Ihren privaten Problemen gehört.«
    Passan überlief ein Schauder.
    »Wenn Sie ein Geheimnis für sich behalten wollen, dürfen Sie nicht die Polizei rufen.«
    »Ich habe die Polizei nicht gerufen.«
    »Genau da liegt Ihr Irrtum. Sie wollten die Sache als Einzelgänger in Angriff nehmen. Was haben Sie damit gewonnen? Man kann den Mord an Ihrer besten Freundin nicht mit einer Affäre in Verbindung bringen, die nicht existiert. Der zuständige Richter wird eine Hausdurchsuchung bei Ihnen anordnen, um Klarheit zu bekommen.«
    Passan schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Wollen Sie mich fertigmachen?«
    »Ich will Ihnen nur helfen. Vielleicht können Sie mit dem Team zusammenarbeiten, das …«
    »Nein! Das ist meine Ermittlung. Es geht um meine Familie. Und ich will allein arbeiten.«
    Calvini lächelte. Passan war aufgesprungen. Für ihn war die Unterredung zu Ende. Auch der Richter erhob sich. Er war ebenso groß wie Passan.
    »Hören Sie auf, sich wie ein kleiner Junge zu benehmen. Denken Sie nach und rufen Sie mich morgen an.« Er reichte Passan den Brief. »Und vergessen Sie das hier nicht.«
    Als Passan die von Guillard mit viel Geduld niedergeschriebenen Zeilen sah, fiel ihm etwas ein.
    »Da er gewusst hat, dass er sterben würde – hat er auch ein Testament gemacht?«
    »Natürlich. Ich habe bereits mit dem Notar gesprochen. Guillard hat mit seinem Autohandel ein Riesenvermögen verdient.«
    »Aber er hat keine Familie? Wer erbt denn?«
    »Er hat alles einem Waisenhaus in Bagnolet vermacht.«
    »Jules-Guesde?«
    »Kennen Sie es?«
    »Ich habe einen Teil meiner Kindheit dort verbracht.«
    Calvini hob die Augenbrauen, als hätte man ihm eine Frage gestellt und gleichzeitig die Antwort gegeben. Passan bedankte sich und ging.
    Als er den Kiesweg entlanglief, dachte er über die letzte Enthüllung nach. Wohin führte die Summe aller Schmerzen? Zu einer letzten menschlichen Geste. Gab es eine Erinnerung, die Guillard dazu veranlasst hatte? Oder war es eine Sache – etwa die Fünfzehn Legenden aus der Mythologie , die ihm einen teuflischen Schlüssel zum Überleben geliefert hatten?
    Calvini öffnete das Tor per Fernbedienung. Passan verließ den Garten, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er erinnerte sich an eine Einsicht, die er der Diebesschule verdankte: Guillards persönliche Grausamkeit war lediglich eine Antwort auf die allgemeine Grausamkeit. War es vielleicht der gleiche Beweggrund, der Sandrines Mörderin antrieb?

73
    Passan hatte einen Strauß Rosen gekauft, sich eine Krawatte umgebunden und war jetzt bereit für die Friedensverhandlungen.
    Bereits in der Eingangshalle der Klinik Robert-Debré musste er sich auf Diskussionen einlassen, denn Besuche waren eigentlich erst ab 14 Uhr erlaubt. Er zwang sich, höflich zu bleiben, ging den Leuten um den Bart und zeigte nicht einmal seine Dienstmarke vor. Schließlich ließ man ihn

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