Die Wahrheit des Blutes
fort, »wie willst du dann Unterhalt zahlen?«
»Ich brauche keinen Unterhalt zu zahlen.«
»Wer’s glaubt.«
»Naoko verdient mehr als ich. Wir behalten das gemeinsame Sorgerecht und wechseln uns mit der Kinderbetreuung ab.«
Fifi nickte, trank noch einen Schluck und stieß einen unendlich zufriedenen Seufzer aus.
»Das ist genau wie die Sache mit eurer Bude«, fuhr er mit heiserer Stimme fort. »Wollt ihr das Ding wirklich zusammen behalten? Das ist vielleicht mal eine Schnapsidee! Stammt von Naoko, oder?«
»Quatsch! Wie kommst du darauf?«
Fifi zog so gierig an seinem Joint, das die Glut sein Gesicht beleuchtete.
»Keine Ahnung. Sie hat doch immer so komische Ideen.«
Passan, der freihändig auf seinem Mofawrack saß, beugte sich über den Lenker.
»Worauf willst du hinaus?«
»Japaner sind anders, das weiß schließlich jeder. Du hast mir selbst immer gesagt, dass Naoko – na ja – irgendwie besonders ist.«
»Das soll ich gesagt haben?« Passan gab sich überrascht. »Hast du vielleicht ein Beispiel parat?«
»Sie ist superstreng mit den Kiddies.«
»Nicht superstreng. Sie legt Wert auf Disziplin, und zwar zum Nutzen der Kinder.«
Fifi gönnte sich noch einen Schluck und zog an seiner Tüte.
»Du durftest nicht einmal bei der Geburt dabei sein!«, trumpfte er schließlich auf.
Auf diesen Angriff war Passan nicht vorbereitet.
»Weil sie lieber zu Hause in Japan entbinden wollte«, gab er nach einer Schrecksekunde zu, »damit die Kinder die japanische Staatsanghörigkeit haben. Ich konnte mit dieser Entscheidung leben.«
Fifi ging noch einen Schritt weiter.
»Aber sie hat dich nicht mitgenommen.«
Passan errötete und bereute, dass er Fifi dieses Geheimnis anvertraut hatte.
»Sie wollte bei ihrer Familie sein«, brummte er. »Sie sagte, eine Entbindung sei eine sehr intime Angelegenheit, bei der sie ihre Mutter brauche. Ich hätte sie wegen der Arbeit ohnehin nicht begleiten können.«
Fifi antwortete nicht, sondern steckte sich einen frischen Joint an. Gleich spuckt er Feuer, dachte Passan. Man hörte nichts als das ferne Rauschen der Reifen auf der regennassen Nationalstraße. Passan erinnerte sich, wie er versteckt in einem Überwachungsfahrzeug gesessen hatte, als ihn Naoko mit rauer, erschöpfter Stimme über die Geburt ihres ersten Sohnes informierte. Mehr als zehntausend Kilometer entfernt.
»Es war ihre Entscheidung«, wiederholte er. »Und ich respektiere sie.«
Fifi breitete die Arme aus.
»Wie schon gesagt – sie ist eben komisch.«
Mit einem Satz sprang Passan vom Mofa und auf seinen Kollegen zu, der hastig zurückwich.
»Warum nervst du mich überhaupt mit diesem Zeug? Es ist längst aus und vorbei und …«
Das Klingeln seines Handys schnitt ihm das Wort ab.
»Hallo?«
»Was soll dieser Mist mit den Lutschern?«
Naoko. Ohne Gruß, ohne langes Vorgeplänkel.
»Warst du letzte Nacht im Haus?«
»Nein. Ich …«
»Hör auf, mich für blöd zu verkaufen. Wir waren uns einig. Diese Woche bin ich zuständig, und du hast in der Villa nichts zu suchen.«
Passan verstand nichts mehr. Er versuchte ihr eine Erklärung zu entlocken.
»Immer mit der Ruhe. Was genau wirfst du mir eigentlich vor?«
»Ich werfe dir vor, dass du dich mitten in der Nacht wie ein Dieb ins Haus schleichst und Lutscher in die Betten unserer Kinder legst. Dass du aus mir unerfindlichen Gründen den Weihnachtsmann spielst und dich nicht an unsere Absprachen hältst. Dass du …«
Passan hörte schon längst nicht mehr zu. Jemand war in die Villa eingedrungen. In das Zimmer seiner Söhne. Eine Warnung. Eine Drohung. Eine Provokation.
Aber wer?
Langsam drang Naokos Stimme wieder in sein Bewusstsein.
»Es ist so wichtig für die Kinder. Sie brauchen die Orientierung.«
»Verstehe.«
Er hörte, wie sie seufzte. Sekunden verstrichen. Als er eben nachfragen wollte, fuhr sie fort:
»Würdest du bitte an meinem Arbeitsplatz vorbeikommen?«
»Wann?«
»Heute.«
»Warum?«
»Um mir deine Schlüssel auszuhändigen. Wir machen weiter mit dem wöchentlichen Wechsel, aber nur mit einem Schlüssel.«
»Das ist doch lächerlich. Es ist …«
»Ich erwarte dich noch vor der Mittagspause.«
Naoko legte auf. Passan betrachtete sein Telefon. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass ein Fremder in seinem Haus gewesen war und sich seinen Kindern genähert hatte. Sein Magen schmerzte.
Fifi sang halblaut mit ironischer Stimme »Ma préference« von Julien Clerc:
»Il faut me croire, moi seul je
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