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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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draußen Passans Auto.
    Sofort flammte ihre Wut wieder auf. Naoko lief zur Eingangstür, schloss auf und rannte über den Rasen. Sie spürte ihre Fersen auf dem feuchten Boden. Ihre Gedanken rasten. Wie sie diesen Mann doch hasste! Seine Dickköpfigkeit, seine Bockigkeit, sein Polizistengehabe. Er hatte nichts verstanden, und er würde nie verstehen.
    Zornig drückte sie auf die Fernbedienung. Das Tor glitt zurück. Ohne auf den nassen Asphalt unter ihren nackten Füßen zu achten, trat sie auf die Straße hinaus.
    »Was hast du hier zu suchen?«, schrie sie.
    Passan ließ die Scheibe herunter.
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
    Auf dem Beifahrersitz sah sie eine Thermosflasche und einen Roman von Tanizaki. Leise erklang eine mit einer Shakuhachi-Flöte gespielte Melodie. Genau das, was ein drittklassiger Japaner so brauchte. Am liebsten hätte sie ihn umgebracht.
    »Hast du denn immer noch nicht kapiert? Das ist meine Woche! Du hast kein Recht, dich hier herumzutreiben. Ich werde meinen Anwalt informieren.«
    Passan hob die Augenbrauen.
    »Deinen Anwalt? Waren wir uns nicht einig, denselben zu nehmen?«
    Naoko verschränkte die Arme.
    »Ich habe meine Meinung geändert.«
    »Dann trennen wir uns also nicht mehr gütlich?«
    »Verschwinde, oder ich rufe die Bullen.«
    »Der ist echt gut!«
    Passan wollte die Tür öffnen, doch Naoko trat dagegen.
    »Wir leben nicht mehr zusammen!«, schrie sie. »Willst du das nicht endlich begreifen? Ich brauche dich nicht mehr!«
    Passan zeigte auf das Haus.
    »Ich habe gesehen, dass du Licht im Untergeschoss gemacht hast. Irgendwelche Probleme?«
    Seine Befehlsstimme. Seine Ruhe. Naoko versetzte der Tür einen weiteren Tritt.
    »Verschwinde!«
    Er hob beschwichtigend die Hand und ließ den Motor an.
    »Schon gut. Immer mit der Ruhe.«
    Daraufhin rastete Naoko erst recht aus. Mit den Fäusten bearbeitete sie das Autodach.
    »Verschwinde! Hau endlich ab!«
    Passan legte einen Kavalierstart hin. Naoko hatte gerade noch Zeit, zur Seite zu springen.
    Plötzlich bekam sie keine Luft mehr. Ihre Hand fuhr an die Kehle, und völlig unerwartet musste sie sich übergeben. Die Säure brannte in ihrem Mund. Mit tränenden Augen ging sie in die Knie.
    Doch schon wenige Sekunden später war der Spuk vorbei. Sie fühlte sich erleichtert, denn nun hatte sie die Wut, die sie seit dem Morgen mit sich herumtrug, endlich ausgespuckt.
    Schwankend überquerte sie den Rasen. Diego erwartete sie bereits. Im Licht der Straßenlaternen sah sein Fell fast silbern aus. Naoko dachte, er sei durch die Hundeklappe in der Küche gekommen, doch dann entdeckte sie die nur angelehnte Tür. Vor lauter Wut hatte sie offenbar nicht daran gedacht, hinter sich abzuschließen. Sie streichelte den Hund, der sich freute, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen.
    »Schon gut, Diego«, murmelte sie. »Schon gut. Beruhige dich.«
    Sie fühlte sich kribblig, aber gleichzeitig auch müde und leer. Heute würde sie endlich einmal wieder ruhig schlafen können.
    In der Küche spülte sie sich den Mund aus. Dabei kam ihr der Gedanke von vorhin wieder in den Sinn: ein Glas Fruchtsaft.
    Sie öffnete den Kühlschrank und fuhr mit einem Schrei zurück.
    Vor ihr lag ein mindestens sechs Monate alter Fetus und lachte sie mit seinem toten Mund an.

26
    Passan hatte darauf bestanden, dass alle – Polizisten und Spurensicherung ebenso wie der Gerichtsmediziner – die Schuhe auszogen. Niemand durfte mit dreckigem Schuhwerk durch seine Villa trampeln. Nicht einmal mit Überschuhen. Die gesamte Kavallerie hatte er zusammengetrommelt: die Bereitschaft aus der Wache von Suresnes, die Männer seines eigenen Teams, Stéphane Rudel vom Gerichtsmedizinischen Institut in Garches, Zacchary und ihre Leute. Es gab keinen Grund mehr, Naoko zu schonen, denn jetzt war sie es, die in vorderster Linie stand.
    Passan marschierte auf der Rasenfläche hin und her und beobachtete seine zukünftige Exfrau aus einigem Abstand. Wenn er ehrlich war, fürchtete er eine weitere Schimpftirade. Als ob alles, was in dieser Nacht geschehen war, seine Schuld wäre. Und im Grunde genommen entsprach das ja sogar der Wahrheit.
    Nie war sie ihm schöner erschienen als hier und jetzt im zuckenden Schein des Blaulichts. Sie hielt sich sehr gerade und hatte ihre zitternden Schultern mit den Armen umschlungen. Um sie herum steckten Polizisten die Sicherheitszone ab. Die weiß verputzte Hausfassade hinter ihr wirkte im Schein der rotierenden

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