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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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sich nicht einmal mehr an diesen Vorfall. Wie musste sich erst Rachel fühlen? In Cecilias Magen rumorte es. Sie stellte ihre Teetasse ab.
    »Du bist schon wieder kreidebleich«, bemerkte Tess.
    »Ich glaube, ich habe mir einen Virus eingefangen«, sagte Cecilia. Den Virus habe ich von meinem Ehemann . Einen wirklich bösen Virus . Ha, ha! Zu ihrem Entsetzen lachte sie lauthals los. »Oder ich habe sonst was. Aber dass ich was habe, das steht fest.«

27
    Tess fuhr in Cecilias Auto zurück zur Schule, um Polly die vergessenen Turnschuhe zu bringen. Da fiel ihr plötzlich ein, dass Liam ja auch Sport haben musste, da er ja in dieselbe Klasse wie Polly Fitzpatrick ging. Und natürlich hatte auch er keine Turnschuhe dabei. Niemand hatte Tess darauf hingewiesen, dass er heute Sportunterricht haben würde. Und falls doch, hatte sie es nicht registriert. Sie überlegte, kurz am Haus ihrer Mutter vorbeizufahren und Liams Turnschuhe zu holen. Sie zauderte. Das Muttersein schien Tausende von winzig kleinen Entscheidungen mit sich zu bringen, nur sagte einem das keiner vorher. Dabei hatte Tess sich selbst stets als entscheidungsfreudige Person gesehen, bevor sie Liam bekommen hatte.
    Gut, es war schon nach zehn. Besser, sie lieferte Pollys Schuhe noch rechtzeitig ab. Es schien überaus wichtig zu sein, und Tess wollte Cecilia nicht enttäuschen. Die arme Frau schien wirklich angeschlagen zu sein.
    Cecilia hatte ihr aufgetragen, die Schuhe entweder in Pollys Klassenzimmer zu bringen oder direkt beim Sportlehrer abzugeben. »Du findest Connor Whitby vermutlich auf dem Sportplatz«, hatte sie erklärt. »Das wird das Einfachste sein.«
    »Ich kenne Connor.« Tess war erstaunt über sich selbst, dass sie das so freiheraus sagte. »Ich war eine Zeit lang mit ihm zusammen. Ist Jahre her. Inzwischen eine halbe Ewigkeit.« Sie zuckte kurz zusammen. Wieso hatte sie die »halben Ewigkeit« erwähnt? Wie blöd von ihr.
    Cecilia schien ziemlich beeindruckt davon zu sein. »Nun, aktuell ist er der angesagteste Junggeselle von St. Angela. Ich werde Polly nicht erzählen, dass du mal mit ihm zusammen warst, die würde dich glatt umbringen.«
    Doch dann verfiel sie erneut in ein peinlich überdrehtes, schrilles Kichern, entschuldigte sich aber sogleich dafür und sagte, dass sie sich unbedingt hinlegen müsse.
    Tess hatte Connor schließlich gefunden. Er war gerade dabei, Basketbälle in jedes einzelne bunte Feld auf dem riesigen, farbenfrohen Fallschirm zu platzieren, der auf dem Sportplatz ausgelegt war. Er trug ein schneeweißes T-Shirt und eine schwarze Trainingshose und sah weniger bedrohlich aus als in der Nacht zuvor an der Tankstelle. Im hellen Sonnenschein waren tiefe Falten um seine Augen zu erkennen.
    »Hallo schon wieder«, lächelte er, als sie ihm die Turnschuhe reichte. »Für Liam, nehme ich an.«
    Das erste Mal hast du mich an einem Strand geküsst , dachte Tess.
    »Nein, die sind für Polly Fitzpatrick. Cecilia ist krank, und ich habe angeboten, sie für die Kleine vorbeizubringen. Liam hat seine Sportsachen gar nicht mit. Du lässt ihn dafür hoffentlich nicht nachsitzen, oder?«
    Da war er wieder, dieser leicht neckende Ton. Wieso flirtete sie mit Connor? Weil sie sich gerade an ihren ersten Kuss erinnert hatte? Weil Felicity ihn nie hatte leiden können? Weil ihre Ehe gescheitert war und sie sich dringend beweisen musste, dass sie noch immer hübsch war? Weil sie wütend war? Weil sie traurig war? Weil sie … Teufel noch mal, warum eigentlich nicht?
    »Ich werde lieb zu ihm sein.« Connor stellte Pollys kleine Schuhe sorgsam an den Rand des Fallschirms. »Mag er Sport?«
    »Er liebt es zu rennen. Er rennt aus Spaß an der Freud.«
    Sie dachte an Will, der ein glühender Fan der Australian Football League war, und als Liam noch ein Baby war, hatte er stets voller Eifer davon gesprochen, wie er den Jungen später zu den Spielen mitnehmen würde, doch bislang hatte Liam null Interesse an Wills Leidenschaft gezeigt. Tess wusste, dass er darüber bitterlich enttäuscht sein musste, doch er lächelte es weg und nahm es spaßig. Einmal, als ein wichtiges Spiel im Fernsehen übertragen worden war, hatte Will versucht, seinem Sohn die Feinheiten des Spiels zu erklären, und Liam hatte nur gesagt: »Komm mit nach draußen, Daddy! Rennen!« Und Will, der dazu eigentlich nie richtig Lust hatte, hatte nur geseufzt: »Okay, Kumpel.« Und schon war der Fernseher aus, und sie rannten im Kreis durch den Garten.
    Sie würde es nicht

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