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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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kleine Eskapade, mit der sie sich Luft machte, Frust abließ. (Sie war sich im Klaren darüber, dass sie dabei war, die Sache zu definieren, sie irgendwie so einzuordnen, dass sie akzeptabel war. Vielleicht war die Scham ja bereits im Anzug.)
    »Als wir damals zusammen waren …«, sagte Connor. »Habe ich dir jemals erzählt, dass ich die letzte Person war, die Janie Crowley lebend gesehen hat? Rachel Crowleys Tochter?«
    »Ich weiß, wer das ist«, erwiderte Tess. »Und ich bin ziemlich sicher, dass du mir nie davon erzählt hast.«
    »Ja, eigentlich weiß ich, dass ich es nicht erzählt habe. Weil ich nie darüber gesprochen habe. Kaum einer weiß es. Außer der Polizei. Und Janies Mutter. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Rachel Crowley denkt, ich hätte die Tat begangen. Sie sieht mich manchmal mit einem so stechenden Blick an.«
    Tess überlief ein kalter Schauer. Er hat Janie Crowley ermordet, und jetzt bin ich dran. Und dann wird jeder wissen, dass ich das Liebesabenteuer meines Mannes als Ausrede benutzt habe, um mit meinem Ex in die Kiste zu springen.
    »Und, hast du?«
    Connor sah entsetzt auf. »Tess! Nein! Natürlich nicht!«
    »Entschuldige.« Sie ließ sich erleichtert in ihr Kissen sinken. Natürlich war er es nicht gewesen.
    »Himmel, wie kannst du denken, dass …«
    »Entschuldige, entschuldige! Warst du mit Janie befreundet? Oder war sie deine Freundin?«
    »Ich wollte sie als meine Freundin«, sagte Connor. »Ich war richtig verschossen in sie. In Chemie saßen wir nebeneinander. Nach der Schule kam sie manchmal mit zu mir, wir lagen auf meinem Bett, knutschten herum, und für mich war es irgendwann ernst. ›Dann sind wir jetzt also fest zusammen‹, sagte ich. Ich weiß nicht, warum mir so viel daran lag, aber es war so, ich wollte unbedingt eine feste Beziehung mit ihr. Ich wollte ganz offiziell mit Janie zusammen sein. Meine erste Freundin haben. Doch sie lachte nur und alberte herum. ›Na ja, ich weiß nicht, ich muss es mir noch überlegen‹, als könnte sie sich bei der Menge an Verehrern nicht entscheiden. Es machte mich halb wahnsinnig. Doch dann, am Morgen des Tages, an dem sie starb, erzählte sie mir, dass sie sich für mich entschieden hätte. Ich war der Auserwählte. Und ich war völlig aus dem Häuschen, als hätte ich im Lotto gewonnen. Dachte, jetzt habe ich eine feste Freundin und die Chance auf Sex. Ich war überzeugt, ich würde Janie eines Tages heiraten..«
    »Connor, das tut mir leid.«
    »Sie kam an jenem Nachmittag vorbei, wir aßen Pommes in meinem Zimmer, küssten uns gefühlte dreißig Stunden lang, und dann sagte sie, sie müsse gehen, habe noch etwas zu erledigen. Ich brachte sie noch zum Bahnhof, und am nächsten Morgen hörte ich im Radio, dass ein Mädchen im Wattle Valley Park erwürgt aufgefunden worden war.«
    »Mein Gott«, murmelte Tess. Sie fühlte sich leicht überfordert, ungefähr so wie vor ein paar Tagen, als sie mit ihrer Mutter in der Schule gewesen war, um Liam anzumelden, als sie Rachel Crowley gegenübergesessen hatte und ständig nur daran hatte denken können, dass ihre Tochter ermordet worden war. Doch Connors Geschichte hatte mit ihrem eigenen Leben nicht im Entferntesten etwas zu tun, und so schien Tess nicht imstande zu sein, normal mit ihm darüber reden zu können.
    »Ich kann nicht glauben, dass du mir nie auch nur ein Wort davon erzählt hast, als wir zusammen waren«, sagte sie schließlich.
    Andererseits, warum sollte er? Sie waren nur sechs Monate zusammen gewesen. Nicht einmal Ehepaare erzählen sich alles. Sie selbst hatte Will gegenüber auch nie erwähnt, dass sie glaubte, an einer Sozialphobie zu leiden. Sie fragte sich, warum sie beim bloßen Gedanken, ihm davon zu erzählen, eine so tiefe Scham empfand? Warum überhaupt Scham?
    »Angela habe ich es erst nach Jahren gesagt«, bekannte Connor. »Es hat sie sehr verletzt. Und danach ging es fast nur noch darum, wie sehr enttäuscht sie war, und gar nicht mehr um die Sache an sich. Ich denke, das war letztlich der Grund für unsere Trennung. Meine Unfähigkeit, mich mitzuteilen .«
    »Dabei wollen Mädchen immer alles wissen«, sagte Tess. Sie war in eigenartiger und unbilliger Weise eifersüchtig auf diese Angela.
    »Nun, es gibt einen Teil der Geschichte, den habe ich auch Angela nie erzählt. Und auch sonst niemandem, außer … meiner Therapeutin. Meiner Seelenklempnerin .« Er stockte.
    »Du musst es mir nicht erzählen«, meinte Tess großmütig.
    »Gut, lass uns über

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