Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
Vom Netzwerk:
etwas anderes reden!«
    Tess gab ihm einen kleinen Klaps.
    »Meine Mutter hat für mich gelogen«, sagte Connor.
    »Was meinst du?«
    »Du hattest nie das Vergnügen, sie kennenzulernen, nicht wahr? Sie starb, bevor wir uns trafen.«
    Eine weitere Erinnerung an die Zeit mit Connor trat wieder in Tess’ Bewusstsein. Sie hatte ihn einmal nach seinen Eltern gefragt, und er hatte gesagt: »Mein Vater ist gestorben, als ich noch ein Baby war. Und meine Mutter starb, als ich einundzwanzig war. Sie war Alkoholikerin. Das ist alles, was mir zu ihr einfällt.«
    »Mutterkomplex«, hatte Felicitys lapidarer Kommentar gelautet, als Tess ihr davon erzählt hatte. »Nichts wie weg.«
    »Meine Mutter und ihr Freund sagten der Polizei, dass ich ab fünf Uhr nachmittags und die ganze Nacht mit ihnen zusammen zu Hause gewesen wäre. Aber das stimmt nicht. Ich war allein zu Hause. Die beiden waren unterwegs, haben sich betrunken. Es war verfänglich, denn ich habe sie nie gebeten, für mich zu lügen. Sie hat es einfach getan. Automatisch. Und sie liebte es, die Polizei anzulügen. Als die Beamten sich anschickten zu gehen und sie ihnen die Haustür aufhielt, zwinkerte sie mir zu. Sie zwinkerte! Als steckten wir unter einer Decke! Und als hätte ich Janie tatsächlich ermordet! Was hätte ich tun können? Ich konnte der Polizei ja nicht erzählen, dass meine Mutter gerade für mich gelogen hatte. Damit hätte ich den Anschein erweckt, als glaubte sie, ich hätte etwas zu verbergen.«
    »Aber sie hat nicht wirklich angenommen, dass du die Tat begangen hast?«, fragte Tess.
    »Nachdem die Polizei weg war, hob sie mahnend den Finger und sagte: ›Connor, Liebling, ich will es gar nicht wissen.‹ Als wäre sie in einem Film. ›Mum, ich war es nicht ‹, versicherte ich ihr. Doch sie meinte nur: ›Schenk mir einen Wein ein, mein Liebling!‹ Und immer wenn sie danach sturzbesoffen war, sagte sie: ›Du hast mir eine Menge zu verdanken, du undankbarer kleiner Bastard.‹ Das hat mir ein dauerhaftes Schuldgefühl beschert. Fast so, als hätte ich es wirklich getan .« Er schauderte. »Egal. Ich bin erwachsen geworden. Meine Mutter ist gestorben. Und ich habe nie wieder über Janie gesprochen. Ich habe es nicht einmal zugelassen, an sie zu denken. Und dann starb meine Schwester. Ich kümmerte mich um Ben. Machte mein Sportdiplom und bekam sofort eine Stelle als Sportlehrer in der St.-Angela-Schule angeboten. Ich wusste nicht einmal, dass Janies Mutter dort arbeitet – bis zu meinem zweiten Arbeitstag.«
    »Muss komisch für dich sein.«
    »Wir laufen uns nicht allzu oft über den Weg. Es ist keine große Sache. Es ist nur ein wenig unangenehm. Ganz am Anfang habe ich mal versucht, mit ihr über Janie zu sprechen. Aber sie hat ziemlich deutlich gemacht, dass ihr nicht der Sinn danach steht. Nun gut. Ich habe angefangen, dir all das zu erzählen, weil du wissen wolltest, warum ich Single bin. Meine sündhaft teure Therapeutin meint, ich würde unbewusst alle festen Beziehungen sabotieren, da ich glauben würde, ich hätte es nicht verdient, glücklich zu sein, und sie meint außerdem, dass es sogar der Grund dafür sein könnte, dass ich an der St.-Angela-Schule bleibe, wo ich jederzeit Rachel Crowley begegnen kann und wo jeder andere längst gekündigt hätte.« Er lächelte Tess verschämt an. »So, jetzt weißt du es. Ich habe einen extremen Schaden. Ich bin nicht einfach dein Null-acht-fünfzehn-Buchhalter von damals, der zum Sportlehrer umgeschult hat.«
    Tess ergriff seine Hand, schlang ihre Finger um die seinen und stellte erschrocken fest, dass sie gerade die Hand eines anderen Mannes hielt, obgleich sie wenige Augenblicke zuvor noch ganz andere Dinge mit diesem Mann gemacht hatte, weitaus intimere Dinge.
    »Tut mir leid«, meinte sie.
    »Warum?«
    »Wegen Janie. Und dass deine Schwester gestorben ist.« Sie hielt inne. »Und weil ich mit dir Schluss gemacht habe, so mir nichts, dir nichts.«
    Connor zeichnete ein kleines Kreuz auf ihre Stirn. »Ich vergebe dir deine Sünden, mein Kind. Oder wie es auch immer heißen mag. Meine letzte Beichte liegt schon eine Weile zurück.«
    »Meine auch«, sagte Tess. »Ganz schön gemein von dir, dass du mich erst Buße tun lässt und mir dann die Absolution erteilst.«
    »Oh, kein Problem, mein Schatz.«
    Tess kicherte und löste ihre Hand aus der seinen. »Ich sollte besser gehen.«
    »Jetzt habe ich dich mit meinen ›Problemen‹ vergrault«, sagte Connor.
    »Nein, das hast du nicht. Ich

Weitere Kostenlose Bücher