Die Wahrheit über Marie - Roman
Anwesenheit des Pferdes zeugten allein gedämpftes Wiehern aus dem Inneren des Transporters und der Geruch, ein durchdringender Geruch nach Pferd, Heu und Mist, der sich mit dem Geruch des Regens und dem Gestank des Kerosins vermischte.
Dann, langsam, tauchte die Kruppe des Vollbluts auf – seine schwarze, glänzende, zurückgebogene Kruppe –, seine Hinterhufe suchten Halt auf der Rampe und schlugen hart auf das Metall, trampelten voller Nervosität auf der Stelle, sprangen zur Seite und wieder nach vorne. Als Geschirr trug es nur ein Halfter und eine Leine, auf seinem Rücken lag eine kurze Decke aus wertvollem Purpursamt, die Gliedmaßen waren sorgfältig mit schützenden Bandagen und Transportgamaschen umwickelt, die mit Klettverschlüssen befestigt waren, Bänder und Sehnen mit Stoffbändern mumifiziert, um Stöße und Verletzungen zu vermeiden. Fünfhundert Kilo nervöse, reizbare und wütende Masse tauchten dort in der Nacht auf. Mit glänzendem schwarzen Fell und einer sich überdeutlich abzeichnenden Muskulatur stieg es rückwärts hinunter, die zwei Japaner im marineblauen Blazer drückten sich gegen seinen Körper in Höhe der Schulter, versuchten, es zurückzuhalten, sie klammerten sich an die Leine, zogen und zerrten daran. Das Pferd ließ sich das nicht gefallen, störrisch schüttelte es den Kopf, um sich loszureißen, es wehrte sich schnaubend, seine Anspannung und Nervosität liefen in heftigen Schaudern wie Wellen durch seine Mähne. Seine kraftvolle physische Erscheinung war beeindruckend, es ging eine animalische elektrische Energie von ihm aus. Die zwei Japaner schienen mit ihrer Aufgabe überfordert zu sein, sie verloren den Halt, ihre Blazer waren verrutscht, die Krawatten hingen schief, vergeblich schrien sie Befehle ins Leere, dass man ihnen zu Hilfe komme, man spürte ihre Erregtheit, man sah ihre vor Aufregung zitternden Gesichter und Hände. Reglos stand das Vollblut nun auf der Rampe, es bewegte sich nicht mehr, schritt nicht vorwärts und nicht mehr zurück, trotz aller Bemühungen der beiden Japaner, die an ihm zerrten, ohne es von der Stelle bewegen zu können. Der Frachtmanager der Lufthansa war mit seinem Funkgerät zum Pferdetransporter herübergekommen, und jetzt bewegte sich niemand mehr, nicht das Pferd, das mitten auf der Rampe stehen geblieben war – starr, wütend, majestätisch –, nicht die von dem Schauspiel des reglos dastehenden kräftigen Zuchthengstes in Bann geschlagenen Zuschauer, die fasziniert waren von seinen in der Anspannung hervorstechenden Muskeln, die im Kontrast standen mit dem feingliedrigen Lauf der Beine, der Zierlichkeit der schlanken und schmalen Fesseln, so zerbrechlich wie die Handgelenke einer Frau.
Das Pferd, nachdem es dröhnend auf der Stelle getreten war, machte erneut zwei oder drei heftige Schritte zurück, drehte sich dann plötzlich und ungestüm um sich selbst und riss die zwei Japaner mit sich, die sofort das Gleichgewicht verloren und, um der brutalen Bewegung auszuweichen, von der Rampe herunter auf den Asphalt sprangen. Geistesgegenwärtig hatten sich die anderen aus der Reichweite des Pferdes entfernt und waren zum Hangar zurückgewichen. Die zwei Japaner drückten sich jetzt wieder gegen den Pferdekörper, pressten sich gegen seine Schulter, versuchten, das Pferd aufzuhalten, es zum Stehen zu bringen, wurden aber von seiner übermächtigen Stärke einfach beiseitegeschoben, konnten gerade noch seinen Bewegungen folgen, neben ihm hertrippeln und versuchen, es irgendwie in Richtung der Pferdebox zu lenken. Der Container wartete oben auf dem Anhänger, neben der geöffneten Tür standen zwei Hilfskräfte bereit, um die Türen sofort hinter dem Pferd zu verschließen, aber am Fuß der Rampe angelangt, bäumte sich das Pferd auf, setzte zurück, drehte sich um, lief feurig schnaubend an Marie und Jean-Christophe de G. vorbei. Die zwei Japaner waren nun überhaupt nicht mehr Herr der Lage, sie beschränkten sich darauf, mittels der Leine den Aktionsradius des Pferdes einzugrenzen, doch das Vollblut riss sich von ihnen los, drehte sich hufeklappernd und mit schwingender Kruppe weg. Wie irre rannte es durch den strömenden Regen zwischen den verschiedenen vor dem Hangar geparkten Fahrzeugen herum, geriet plötzlich ins Scheinwerferlicht eines der auf dem Parkplatz stehenden Autos, galoppierte unversehens in Richtung Hangar, was die Zuschauer nötigte, sofort im Inneren des Gebäudes Zuflucht zu suchen.
Weiße Neonröhren umrandeten das
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