Die Wahrheit
einmal vergeben hatte, hätte niemand sich einen treueren Freund wünschen können.
Mike Fiske war wie geschaffen für diesen Ort gewesen. Das Gericht hatte in der Tat einen großen Verlust erlitten, als ihm jemand das Leben genommen hatte. Aber keinen so großen wie die Familie Fiske.
Fiske blieb vor Dellasandros Tür im Erdgeschoß stehen, klopfte an und wartete. Er klopfte noch einmal, öffnete die Tür dann und spähte hinein. Er sah ins Vorzimmer von Dellasandros Büro, in dem dessen Sekretärin arbeitete. Wahrscheinlich ist sie beim Mittagessen, dachte Fiske. Er trat in das Büro. »Chief Dellasandro?« Er wollte wissen, ob man auf den Überwachungsvideos irgend etwas gefunden hatte. Und, ob einer der Gerichtspolizisten Wright nach Hause gefahren hatte.
Er ging zur Tür des inneren Büros. »Chief Dellasandro, ich bin’s, John Fiske. Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?« Noch immer keine Antwort. Fiske entschloß sich, dem Mann eine Nachricht zu hinterlassen. Aber er wollte sie nicht auf den Schreibtisch der Sekretärin legen.
Er betrat Dellasandros Büro und ging zu dessen Schreibtisch. Dort fand er einen Zettel und schrieb mit einem Kuli aus dem Halter auf dem Tisch eine kurze Mitteilung. Als er fertig war und den Zettel so auf den Schreibtisch legte, daß man ihn sofort bemerken mußte, schaute er sich kurz in dem Büro um. Auf den Regalen und an den Wänden bemerkte er zahlreiche Andenken, die von einer glänzenden Laufbahn zeugten. An einer Wand hing ein Foto von einem viel jüngeren Dellasandro in seiner Uniform.
Fiske drehte sich zur Tür um. An der Rückseite des Türblatts hing eine Jacke. Sie mußte Dellasandro gehören, war offensichtlich Bestandteil seiner Gerichtsuniform. Als Fiske daran vorbei ging, fielen ihm mehrere Flecken auf dem Kragen auf. Er rieb mit dem Finger darüber und untersuchte den Rückstand: Make-up. Er ging ins Vorzimmer und sah sich die Fotos an, die dort auf dem Schreibtisch standen. Er hatte Dellasandros Sekretärin einmal gesehen. Eine junge, große Brünette mit ziemlich beeindruckenden Gesichtszügen. Auf ihrem Schreibtisch stand ein Foto von ihr und Chief Dellasandro. Er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt; beide lächelten in die Kamera. Wahrscheinlich hatten viele Sekretärinnen Fotos machen lassen, die sie mit ihrem Boß zeigten. Aber da war etwas in ihren Augen, und auch der Umstand, wie dicht nebeneinander sie standen, ließ darauf schließen, daß es sich vielleicht um mehr als nur eine platonische berufliche Beziehung handelte. Er fragte sich, ob das Gericht besondere Vorschriften über den Kontakt der Mitarbeiter untereinander erlassen hatte. Und es gab noch einen Grund, wieso Dellasandro gut beraten wäre, die Hosen an und die Hände von der Sekretärin zu lassen: Fiske warf einen Blick zurück in Dellasandros Büro und auf das Foto auf seinem Bücherschrank. Es zeigte seine Frau und seine Kinder. Eine sehr glücklich aussehende Familie. Offensichtlich nur an der Oberfläche. Als er das Büro verließ, kam er zum Schluß, daß das Foto ziemlich genau zusammenfaßte, wie diese Institution und die Welt im allgemeinen funktionierte: Oberflächen konnten sehr trügerisch sein; man mußte tiefer graben, um die unverfälschte Wirklichkeit zu finden.
Rufus trat auf die Bremse. »Ich werde den ersten Cop anhalten, den ich sehe«, sagte er. »Du brauchst dringend Hilfe.«
Mühsam setzte Josh sich auf. »Den Teufel wirst du tun. Die Cops nehmen dich fest, finden Tremaine und Rayfield, und du bist erledigt.«
»Du brauchst einen Arzt, Josh.«
»Ich brauche gar nichts.« Mit einer plötzlichen Bewegung griff er nach seiner Pistole. »Wir haben das angefangen, wir bringen es zu Ende.« Er richtete den Lauf der Waffe auf seinen Bauch. »Wenn du anhältst, schieße ich mir ein Loch in den Balg.«
»Du bist verrückt. Verdammt, was soll ich denn machen?«
Josh spuckte Blut. »Suche Fiske und das Mädchen. Ich kann dir nicht mehr helfen, vielleicht können sie es.«
Rufus warf einen Blick auf die Pistole.
»Versuch es erst gar nicht. So eine Kugel ist verdammt schnell.«
Rufus legte den Gang wieder ein und fuhr auf die Straße zurück. Josh beobachtete ihn; sein Blick wurde immer wieder unscharf. »Hör mit der Scheiße auf.«
»Was?«
»Ich sehe doch, daß du vor dich hin murmelst. Hör auf, für mich zu beten.«
»Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wann ich mit dem lieben Gott spreche.«
»Halt mich aber da raus.«
»Ich bete dafür, daß er
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