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Die Wanderbibel

Titel: Die Wanderbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Kehle , Mario Ludwig
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Stadtwanderwege, so etwa die »Türme-Wanderung«, die entlang der ehemals 32 Türme umfassenden »Lagerfestung Linz« führt; auf einer anderen Route besichtigt man unter anderem die Schlossanlage. Die Stadt Salzburg präsentiert ein Projekt »Frauenspuren« – ein Spaziergang mit weiblichen Einblicken, und zwar zu Häusern, in welchen bedeutende Frauen residierten, samt bronzenen Gedenktafeln, die inzwischen außen angebracht sind. Immerhin amüsant ist ein Hinweis auf der Website salzburg.com: »Auch der Salzburger Teil des Jakobsweges verläuft durch die Stadt Salzburg.«
    Die österreichische Hauptstadt Wien bietet eine schier unerschöpfliche Vielfalt an Pfaden und Wegen in der Stadt und um die Stadt herum. Sogar auf der Website bergnews.com werden diese Wege ausführlich beschrieben, etwa jener Weg Nummer 5 »Bisamberg«, einem der Wiener Hausbuckel. Die Wanderung beginnt an der Endstation einer Straßenbahnlinie und macht gleich zu Beginn bewusst, »dass in Stammersdorf Weinkultur gelebt, ja zelebriert wird«, und zwar »mittels vorbildlich restaurierter Weinbauernhäuser, Schenken und verschlafenen Heurigen«. Auf der Eichendorffhöhe, dem höchsten Punkt dieses Stadtwanderwegs, wurde der gleichnamige Poet angeblich zu folgenden Zeilen inspiriert, womöglich nach etwas zu lang geratenen Aufenthalten in der angepriesenen Gastronomie:
    Die Donau blitzt aus tiefem Grund,
Der Stephansturm auch ganz von fern,
Guckt übern Berg und säh’ mich gern.
    »Technik: leicht, Kondition: mittel« – der deutsch-französisch-schweizerische »Dreilandweg« folgt »Rhein und Reben«. Während man im Gebirge Alkohol tunlichst meiden soll, scheint man beim urbanen Wandern hingegen ums Picheln nicht herumzukommen. Die Route rund um Basel – immerhin sechzig Kilometer lang, also drei Tagesetappen – führt an Winzerdörfern, »lauschigen Garten- und Weinwirtschaften«, doch immerhin auch an Schlössern und Burgen vorbei. In Basel, dem Anfangs- oder Endpunkt, locken schließlich nicht nur die verwinkelten Gassen der Altstadt, selbstredend mit Einkehrmöglichkeiten, sondern auch über dreißig Museen. Und wer am tiefstgelegenen Ort der Schweiz dennoch Höhenmeter sammeln will, kann ja aufs Basler Münster steigen.
    Ein paar Kohlekähne lagen österlich untätig herum. Wie es sich gehört, und wie man das aus einschlägigen Filmdokumentationen kennt, suchten wir nach dem Hund, der auf dem Bug mit hoch erhobener Schnauze wachte, während im mittleren Teil des Kahnes weiße Wäsche, vor allem Damenschlüpfer, auf der Leine flatterte. Wir flanierten vorbei an den Schrotthändlern, bei denen Osteuropäer und Hartz-IV-Empfänger ihre paar Kilo Kabel abgeben, die sie beim Sperrmüll von Kühlschränken, Toastern oder Computern abknipsen. Berge von zerquetschten Autos erfreuten uns beinharte Fußgänger, wir amüsierten uns über merkwürdige Firmennamen wie »Muffenrohr« und hatten Aha-Effekte (»Aha, hier ist also Vollack, und bei Carl-Spaeter-Stahlgroßhandel, da habe ich mich mal beworben«).
    Hier, im Gebiet des Rheinhafens, herrschte Ruhe, ja Stille, süßes Schweigen. Kein scheußliches Geräusch, kein Ostermontagsrasenmäher, keine keifenden Nachbarn wie zu Hause, auch keine durchgeknallten Mountainbiker zwischen den Verladestellen, Fabrikhallen und gut besetzten LKW-Parkplätzen. Österlicher Friede lag über den leeren Bürogebäuden und den Hecken zur Nachbarfirma. Der Fuhrpark ruhte, die Bagger an einer Baustelle standen schweigend, als habe sie nie ein Mensch bedient, als würden sie allmählich von Spinnweben und Staubschichten überzogen, als labten sich alsbald die Marder an den Kabeln. Weit und breit war niemand außer uns zu sehen. Wenn nicht diese heitere Stille gewesen wäre, es wäre fast gespenstisch gewesen – ein verlassenes Industriegebiet, Karlsruhe war ausgestorben, die Menschen waren geflohen, nur wir hatten die Flucht verpasst und irrten umher. Doch die Amseln sangen, und die Spatzen zwitscherten, ein später Kiebitz begrüßte immer noch den Frühling, und kein verwahrloster, zotteliger Hund streunte vorbei und schnüffelte am Hosenbein meiner Frau. In den Fenstern der Büros standen Ostergestecke und deuteten auf weibliches Personal hin, immer wieder rote, blaue und gelbe Primeln, Tulpen und Osterglocken, ab und an war ein Plastikhäschen oder ein Scherenschnitt ans Fenster geklebt. Dazwischen beschien die noch tief stehende Sonne ein »Born-to-be-wild«-Plakat über einem ausladenden

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