Die Washington-Akte
gelassen, etwas zu sagen. Vielmehr hatten sie ihn in einen bereitstehenden Wagen geschoben, ein paar Minuten allein gelassen und waren dann mit ihm losgefahren. Jetzt überquerten sie den East River und fuhren nach Queens hinein, weg von Manhattan. Vor ihnen sorgten Polizeiwagen für freie Fahrt. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, dass sie in Richtung JFK Airport fuhren. Wollten sie ihn an einen Ort transportieren, wo nur sie die Kontrolle hatten?
Du kannst niemandem trauen.
Stephanie hatte ihn gewarnt.
Vielleicht hatte sie recht.
Er bezweifelte, dass irgendjemand in dem Wagen ihn aufklären würde, aber eines wollte er wenigstens sagen. »Leute, ihr kennt meinen Namen, und das heißt, ihr kennt auch meinen Hintergrund. Ich habe nicht versucht, jemanden zu ermorden.«
Die Beamten vorn im Wagen und derjenige, der neben ihm auf der Rückbank saß, blieben stumm. Also versuchte er es anders.
»Ist mit Daniels alles in Ordnung?«, fragte er.
Wieder kam keine Antwort.
Der Beamte neben ihm war jung und aufgeregt. Wahrscheinlich befand er sich zum ersten Mal in einer solchen Situation.
»Ich muss mit jemandem vom Magellan Billet sprechen«, sagte Malone, nun nicht mehr freundlich, sondern in gereiztem Tonfall.
Der Beamte vorn auf dem Beifahrersitz drehte sich zu ihm um. »Halten Sie jetzt einfach mal den Mund.«
»Wissen Sie, Sie können mich mal kreuzweise.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Hören Sie, Malone, machen Sie uns die Sache leicht und faseln Sie nicht rum. Okay?«
Diese Verschwörung reicht weit.
Wieder dachte er an Stephanies Warnung.
Die befand sich inzwischen auch im Besitz der Beamten, sie hatten ihm den Zettel abgenommen, als sie ihn durchsucht hatten.
Sie wussten also Bescheid, dass er Bescheid wusste.
Na super.
Sie fuhren weitere zehn Minuten schweigend und bogen dann durch ein Tor, das direkt zum Rollfeld führte, auf den JFK Airport ein. Ein Flugzeug stand abseits des Betriebs, von einem Polizeikordon umgeben. Eine A 747, blau-weiß lackiert und mit einer amerikanischen Standarte am Heck. Die Worte Vereinigte Staaten von Amerika waren in Gold auf den Rumpf gemalt.
Die Air Force One.
Der Beamte auf dem Beifahrersitz warf ihm ein marineblaues Jackett zu. »Ziehen Sie das an«, befahl er.
Malone bemerkte drei Goldbuchstaben, die auf Brust und Rücken aufgedruckt waren.
FBI .
Sie fuhren zu der Gangway, die zum Flugzeug hinaufführte. Man nahm ihm die Handschellen ab, und er stieg aus und schlüpfte in das Jackett. Ein Mann tauchte oben auf der Gangway auf und kam herunter. Hochgewachsen und schmal, mit schütterem grauem Haar und einem gelassenen Gesichtsausdruck.
Edwin Davis.
»Wir werden beobachtet«, sagte Davis. »Vom Terminal aus. Jeder TV -Sender hat Kameras mit Teleobjektiv. Passen Sie auf, was Sie sagen. Die haben Lippenleser engagiert.«
»Wie ich hörte, sind Sie befördert worden.«
Als sie sich beim letzten Mal in Venedig begegnet waren, war Davis Stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater gewesen. Inzwischen hatte er die Position des Stabschefs des Weißen Hauses inne.
Davis zeigte auf die Gangway und sagte: »Ich Glückspilz. Gehen wir hinauf.«
»Was ist mit Daniels?«
»Das werden Sie sehen.«
Hale sah fern. Sie waren bald zu Hause. Seit sie sich auf dem trüben Pamlico River westwärts schlängelten, fuhr die Adventure unter Motor. Er hatte die Lautstärke heruntergeregelt, da er die Nachrichtensprecher satthatte, die sich in Spekulationen ergingen, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer weiter zu fesseln, während immer wieder dieselben unscharfen Filme zwei mechanische Vorrichtungen zeigten, die sich aus dem Hotel Grand Hyatt herausschoben. Reine Nachrichtensender waren in den ersten dreißig Minuten einer Krise brauchbar, aber danach war es einfach zu viel des Guten.
Er schüttelte den Kopf, als er an seine drei Mitkapitäne dachte.
Die verdammten Dummköpfe.
Er wusste, dass sie das Recht hatten, ihren Willen durchzusetzen – im Commonwealth entschied die Mehrheit –, aber er war von ihrer Abstimmung ausgeschlossen gewesen, und das lief den Artikeln zuwider. Leider schrie eine verzweifelte Lage nach verzweifelten Maßnahmen, und er verstand ihre Frustration gut: Sie hatten das Gefängnis vor Augen, und die Behörden drohten ihnen mit dem Einzug all dessen, was ihre Familien in den letzten drei Jahrhunderten angehäuft hatten. Ihre einzige Hoffnung lag nun in dem Blatt Papier in einer Plastikhülle, das Hale in der
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