Die weise Frau
wendest dich wieder der Magie zu?«
Alys schaute geradeaus in die Nebelbank, die ihren Weg einhüllte. »Du hast mich und Hugo mit den Runen gesehen, und ich habe geträumt, wir wären zusammen. Ich will ihn, Morach, und wir haben es beide gesehen. Es muß da sein, nur darauf warten, daß es passiert. Sag mir, wie ich ihn kriegen kann.«
Morach wölbte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Du hast Macht«, sagte sie. »Und du bist klug, und wenn du nicht liebeskrank bist, bist du genauso schön wie die anderen Mädchen im Land. Warum willst du dich nach Hugo verzehren und warten? Es gibt andere Männer.«
»Ich will ihn«, sagte sie unbeirrbar. »In dem Augenblick, in dem ich ihn erblickte, habe ich entdeckt, was Sehnsucht ist. Ich kam direkt aus dem Nonnenkloster, Morach, und er war der erste Mann in meinem Leben, der mir ebenbürtig war. Ich wollte ihn damals wie einen Vogel, der einen Partner sucht. Nichts konnte mich aufhalten. Nichts konnte ihn aufhalten.«
Morach lachte trocken, räusperte sich und spuckte. »Du hast ihn aufgehalten!« rief sie. »Du allein. Du hast ihn grausam und pervers gemacht, ein Monster seiner eigenen Frau gegenüber. Und jetzt liebt er sie.«
Alys' Augen wurden schmal, ihr Gesicht sah spitz und bösartig aus. »Ich weiß«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich hätte drauf setzen sollen, daß er mich liebt, und die Finger von der Magie lassen sollen. Ich hätte darauf vertrauen sollen, daß er sich um mich kümmert. Aber ich hatte Angst um meine eigene Sicherheit ...«
Morach grinste. »Also immer noch dieselbe Geschichte«, sagte sie fröhlich. »Du rennst weg, um deine Haut zu retten, und dann merkst du, daß du das einzige, was du brauchst, verloren hast.«
Alys' Pony bremste und tänzelte seitwärts, als sie plötzlich an den Zügeln riß. »Ja«, sagte sie barsch. Morachs Bemerkung hatte genau ins Schwarze getroffen.
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. »Das beste wäre, du gibst ihn auf«, sagte Morach. »Das ist die andere Lektion, die dich das Leben lehrt. Wenn etwas weg ist — ist es weg. Selbst wenn du es durch deine eigene Dummheit oder Feigheit verloren hast. Du hast deine Mutter Äbtissin verloren, und du hast Hugo verloren. Gib sie beide auf. Laß sie gehen. Die Vergangenheit gehört der Vergangenheit. Such dir eine andere Liebe, und halte sie diesmal fest. Riskiere etwas dafür.«
Alys schüttelte den Kopf. »Ich muß Hugo haben«, sagte sie. »Es gibt zu viele Versprechen zwischen uns beiden. Ich kann ihm einen Sohn schenken, und ich glaube immer noch, daß Catherine das nicht kann. Ich muß die Herrin dieser Burg werden, Morach. Das will ich, und da gehöre ich hin. Ich habe immer und immer wieder davon geträumt. Selbst wenn ich ihn verdreht und verändert habe, selbst wenn ich mich selbst verdreht und verändert habe, ich will die Burg. Ich will die Nummer eins bei Hugo und dem alten Lord sein. Ich möchte den Traum, den ich geträumt habe, selbst wenn ich ihm nicht mehr gewachsen bin.«
Morach sagte nichts, beobachtete nur, wie Alys sich immer weiter verstrickte.
»Wie kann ich es schaffen?« bedrängte sie Alys. »Mein Gott. Morach, liebeskranke Weiber sind doch deine Spezialität. Wie kann ich ihn bekommen, ihn und das Schloß? Da muß es doch Zaubersprüche geben?«
Morach lachte kurz. »Es gibt nichts, das einen Mann dazu bringt, dich zu lieben«, sagte sie. »Das weißt du genausogut wie ich. Es gibt keine Tricks, mit denen man die Liebe heraufbeschwören und halten kann. Das einzige, was die Magie kann, und das einzige, was die Kräuter können, ist die Lust heraufbeschwören.«
»Lust nützt mir nichts«, sagte Alys ungeduldig. »Scharf genug ist er. Und das auch mit allen anderen. Ich möchte, daß er nur mich begehrt. Nur mich.«
Morach lächelte. »Dann mußt du ihm Wonnen bereiten, die ihm keine andere bieten kann«, sagte sie. »Du mußt ihn vor Sehnsucht um den Verstand bringen. Du mußt ihn die Göttin reiten lassen.«
»Was?« fragte Alys.
Der Nebel lag vor ihnen wie eine graue, nasse Wand. »Das war's dann wohl mit dem Sonnenschein«, sagte Morach und wickelte ihren Schal fester um die Schultern. Dann trabten sie in die Dunkelheit, die sie verschluckte.
»Was soll das heißen, die Göttin reiten?« fragte Alys. Ihre Stimme war leise und gedämpft.
»Gift«, sagte Morach lakonisch. »Es gibt einen Giftpilz, den kleinen grauen — Erdwurz heißt er.«
»Das weiß ich«, unterbrach sie Alys. »Man gibt ihn
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