Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber
Untergrund schwankte so heftig, dass jeder Schritt eine Herausforderung darstellte. Mehrfach sah Griffin während seines kreisenden Sinkfluges, dass die Gestalt stürzte und erst nach mehreren Versuchen wieder auf die Füße kam, um dann, nach nur wenigen Schritten auf den Hügeln und Tälern der See, abermals das Gleichgewicht zu verlieren.
Er rief Jollys Namen, aber der Gegenwind riss ihm den Ruf von den Lippen. Die Quappe dort unten hatte ihn noch nicht bemerkt, sie hatte zu viel damit zu tun, auf dem aufgewühlten Ozean voranzukommen.
» Jolly!«, brüllte er erneut.
Aber dann verstummte er. Das dort unten war nicht Jolly, auch wenn die Gestalt die eingeölte Lederkleidung trug, in der die beiden Quappen aus der Seesternstadt aufgebrochen waren.
Es war Munk, der den Kopf hob und in den Himmel blinzelte. Er musste den riesigen dunklen Umriss des Rochens bemerkt haben und blieb stehen. Eine Welle stieg unter seinen Füßen auf, warf ihn aber nicht um. Seine Lippen formten Griffins Namen.
»Munk!«, rief Griffin, zu aufgeregt für irgendwelche Floskeln. Ein grässlicher Verdacht stieg in ihm auf. Mit zitternden Händen lenkte er den Rochen in eine Kreisbahn um den Jungen auf dem Wasser. »Wo ist Jolly?«
Munk sah ihn an, als brauchte er einen Moment, um die Bedeutung dieser Worte zu erfassen. »Jolly?«, fragte er wie betäubt.
»Wo ist sie?«, rief Griffin erneut. Er hatte sich kaum noch unter Kontrolle. Auf einen Schlag sah er all seine Befürchtungen bestätigt. Er hatte Jolly vor Munk gewarnt, aber sie hatte nicht auf ihn hören wollen.
»Was hast du mit ihr gemacht?«
»Ich… nichts. Sie ist… sie ist nicht hier.«
»Dann ist sie immer noch da unten?«
»Ich… weiß es nicht.« Munk musste sich auf dem Wasser einmal um sich selbst drehen, um der Flugbahn des Rochens mit Blicken zu folgen. Er schwankte und wäre beinahe wieder hingefallen.
»Du weißt es nicht?« Griffin konnte den Zorn, der in ihm aufstieg, nicht mehr zurückhalten. Etwas in seinem Inneren kochte über. Die Verzweiflung der vergangenen Stunden, all das Leid und die Verluste, der Schmerz und nun das - es war einfach zu viel.
»Was hast du getan, Munk? . Gottverdammt, ich hab gewusst, dass du sie verraten würdest!«
Munk starrte ihn aus großen Augen an. Er war blass und sah krank aus. Vielleicht war er nur zu erschöpft, um zu widersprechen.
Zorn und Trauer machten Griffin blind. Seine Wunden brannten noch heftiger, und das Blut toste in seinen Ohren wie eine Sturzflut. Ein einziger Gedanke beherrschte ihn: Munk war zurückgekehrt - und hatte Jolly dort unten zurückgelassen. Sie war tot. Und Munk trug die Schuld daran.
Griffin riss an den Zügeln und ließ den Rochen knapp über der Oberfläche auf seinen Widersacher zuschießen.
Munk warf sich im letzten Augenblick zur Seite, bevor das Tier ihn rammen konnte. Flach prallte er auf eine Woge und stöhnte schmerzerfüllt auf.
Griffin stieß einen Fluch aus, brachte den Rochen viel zu abrupt zum Halten und wäre fast aus dem Sattel geschleudert worden. Alle seine Wunden brachen endgültig wieder auf, aber er achtete gar nicht darauf.
Er wendete und hielt erneut auf Munk zu, jetzt noch niedriger über dem Wasser. Diesmal würde er ihn erwischen.
Soledad starrte auf den reglosen Körper vor ihr. Tyrone rührte sich nicht von der Stelle. Von ihrer Position aus konnte sie nicht erkennen, ob Walker tot war. Aber weshalb hätte Tyrone ihn am Leben lassen sollen?
Brüllend vor Wut, riss sie ihren Säbel hoch und stürzte vorwärts. Tyrone schien für einen Augenblick überrascht von der Vehemenz ihrer Reaktion, dann schwenkte er die Pistole in ihre Richtung. Doch davon ließ Soledad sich nicht abschrecken. Sie verschwendete keinen Gedanken an die Gefahr, als sie blitzschnell die letzten paar Schritte überwand. Ihre Klinge bohrte sich in Tyrones Richtung, doch der Kannibalenkönig sprang zurück und parierte mit seiner eigenen Waffe.
Funken sprühten, als die Säbel aufeinander hieben. Soledad war jetzt direkt vor ihm. Walkers Körper lag reglos zwischen ihren Füßen und denen Tyrones. War da irgendwo frisches Blut? Atmete er noch? Der Kannibalenkönig ließ ihr keine Zeit, Antworten auf ihre Fragen zu finden. Stattdessen setzte er zu einer Attacke an, die darauf abzielte, ihr den Säbel aus der Hand zu prellen.
Soledad wich mit einem Satz zurück und bemerkte erleichtert, dass Tyrone ihr folgte. Die Pistole schob er mit links in seinen Gürtel. Wollte er sie nicht töten?
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