Die Weltenwanderer
schenke?«
»Nein!« Er schenkte bereits großzügig ein.
»Dann gib mir auch einen.«
Leander drehte sich mit der Zigarette im Mundwinkel und zwei Gläsern um.
Im Türrahmen stand van Rhyn, in Jeans und Hemd, das allerdings nicht zugeknöpft war. Barfuß holte er sich sein Glas, setzte sich mit der Pobacke auf eine Ecke des Schreibtischs und ließ sein rechts Bein baumeln.
Leander ließ sich im Ohrensessel nieder und prostete ihm zu. »Auf unser Wohl!« Genussvoll schloss er die Augen. »Was für ein Abgang. Seidenweich!«
»Was willst du?«
Der nahm noch einen Zug, warf seine Zigarette in den dunklen Kamin und ließ sein Glas in den Händen kreisen. »Du hast etwas, was uns gehört. Das hätte ich gern zurück.«
»An was genau denkst du dabei?«
Zum ersten Mal zeigte sich Ernst in Leanders Gesicht. Jedes Lächeln verschwand. »Hast du so viel, was infrage käme? Also gut! Reden wir Klartext. Du hast eine Frau hier, die zu uns gehört.«
Aeneas ahnte, an wen sein Gast dachte, runzelte jedoch die Stirn. »Und wer sollte das bitte sein?«
»Spiel nicht den Unwissenden! Ich rede von Leona Haiden.«
»Ich fürchte, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Der Dame bin ich noch nie begegnet. Lässt du dich jetzt schon anheuern, um Frauen umzubringen?«
Leanders Augen blitzten. »Diesmal ist es ein anderer Auftrag. Sie wird wegen Mordes an einem Sechszehnjährigen gesucht. Xerxas’ staatliche Stellen haben nach vierzehn Jahren beschlossen, die Akte zu schließen. Daraufhin beauftragten die Eltern des Jungen mich, sie aufzuspüren und dem Tribunal zu überstellen. Diese Leona war damals auch noch ein halbes Kind, hatte keinerlei Familie und ist offensichtlich Hals über Kopf geflohen. Den Angehörigen des Opfers geht es weniger um Rache. Sie wollen wissen, was damals wirklich geschehen ist und warum. Vor wenigen Tagen bekam ich einen Tipp. Sie sollte als Wahrsagerin auf der Kirmes unterwegs sein. Auf dem sechsten Jahrmarkt fand ich ihren Wohnwagen, den sie offensichtlich in aller Eile verlassen hatte.« Er trank einen Schluck und sah van Rhyn an.
Aeneas zuckte die Achseln. »Schön und gut, aber wie kommst du darauf, dass sie in Waldsee ist?«
»Weil ich Spuren lesen kann, und ihr Auto Öl verliert. Außerdem half mir meine überragende Intelligenz. Wo könnte eine Marú, die von ihren eigenen Leuten verfolgt wird, sich besser verstecken als unter Rhan. Und siehe da: Direkt vor deinem Tor war prompt eine Öllache. Deshalb bin ich hier. Als ich das offene Fenster sah, wusste ich sofort, wo ich dich finde. Du solltest deinem unterdrückten Freiheitsdrang mehr Bedeutung schenken. Nur die Fenster zu öffnen, bringt dich über lang nicht weiter.«
»Psychologische Ratschläge von einem Attentäter?! Das dürfte kaum zu überbieten sein.« Van Rhyn nahm einen Schluck, stellte das Glas ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du gehst also nicht mehr deinem alten Job nach?«
Leander schüttelte den Kopf. »Genau wie du hab ich gewechselt. Die Bezahlung stand irgendwann in keinem Verhältnis mehr zur Arbeit. Jetzt kann ich mir Job und Lohn aussuchen. Ich bin ganz offen. Die Eltern des toten Jungen sind stinkreich. Dieser Job bringt eine Menge Geld. Damit könnte ich mich zur Ruhe setzen.«
Er beugte den Oberkörper nach vorn, stützte seine Ellenbogen auf die Schenkel, legte sein Kinn in die Hände und kniff die Augen leicht zusammen. »Gibst du mir die Frau freiwillig?«
Aeneas schüttelte den Kopf. »Ich würde dir und dem Rest des Universums deinen sofortigen Ruhestand von Herzen gönnen, aber die Frau ist nun einmal nicht hier. Vielleicht wollte sie sogar bei uns um Asyl bitten und hat es sich anders überlegt. Was auch immer sie bewogen hat, herzukommen, geblieben ist sie nicht. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
Der sah ihn längere Zeit an, griff sein Glas wieder, wanderte zur Bar und schenkte nach. »Darf ich dir auch einen letzten Schluck anbieten?«
Auf dessen Kopfschütteln hin erklärte er: »Wieso hab ich nur den Eindruck, dass du mir etwas verschweigst? Das solltest du nicht! Ich werde es ohnehin herausfinden. Vor mir kann sich niemand ewig verstecken. Ich bin der Beste in meinem Fach.«
Aeneas’ Brauen hoben sich. Spott war nicht zu überhören, als er erklärte: »Deine Bescheidenheit überwältigt mich immer wieder.«
»Die ist quasi angeboren. Im Gegensatz zu dir komme ich ja aus bescheidenen Verhältnissen. Hübsches Wortspiel, oder?« Sein Lächeln verschwand, als er weitersprach: »Sag
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