Die Widmung: Roman (German Edition)
persönlichen Sachen lagen herum. Sie konnte ihre Gefühle nicht ganz einordnen, sie wusste nur, dass sie diese Nacht am liebsten auslöschen würde.
Nachdem sie wiederhergestellt war, bot Hawk an, sie nach Hause zu bringen. Auf dem Weg durch die Derby Street fing sie an zu zittern, und er gab ihr seine Jacke. Schweigend liefen sie weiter.
Vor der Tür merkte sie, dass sie sich ausgesperrt hatte. Die Innentür war zwar nicht abgeschlossen, aber die Fliegengittertür war eingerastet und hatte sich hinter ihr verschlossen, eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme, die sie installiert hatte, damit Finch nicht umherirrte. Hawk versuchte es an einem Seitenfenster, aber die waren ebenfalls versperrt. Er warf einen Blick nach oben und entdeckte die Weinranke, die zu dem offenen Fenster in Maureens Zimmer führte. Zee schaute zu, wie er die Ranke ebenso behände hinaufkletterte wie die Takelage an dem Tag, an dem sie ihm zum ersten Mal begegnet war, und für einen kurzen Moment sah sie in ihm den jungen Seemann in der Geschichte ihrer Mutter.
Als Hawk ihr von innen die Küchentür öffnete, ging Finchs Alarm los. Er stand am anderen Ende des geneigten Korridors und starrte Hawk an.
»Schon gut«, sagte Zee. »Du erinnerst dich doch an Hawk. Ich habe mich ausgesperrt, und er hat mir aufgemacht.«
Finch gab keine Antwort, sondern starrte sie beide nur an. »Komm, ich bringe dich wieder ins Bett«, sagte Zee.
Als sie ihn zugedeckt und beruhigt hatte, war Hawk verschwunden.
Am nächsten Abend bat Zee Jessina, länger zu bleiben.
Sie ging zur Friendship und dann zu Hawks Boot, das an einem Liegeplatz am Pickering Wharf festgemacht war. Auch dort war er nicht. Sie fand ihn im Capt.’s, wo er mit dem Rest der Besatzung an der Bar saß. Alle Köpfe wandten sich zu ihr um, als sie den Raum betrat.
Hawk stand auf und ging zu ihr. »Zwei Abende hintereinander«, sagte er. »Ich bin ein Glückspilz.«
Diese Bemerkung war durchaus zweideutig.
»Ich wollte mich bedanken«, sagte sie.
»Wofür?«
»Dafür, dass Sie mich nach Hause gebracht haben. Für die Jacke. Und dass Sie mich nicht festnehmen ließen.«
Er lachte.
Sie reichte ihm die Jacke. Er zog sie an und ging mit ihr hinaus, nachdem er ihr die Tür aufgehalten hatte.
Sie gingen den Pier entlang, an der Friendship und den Hundebesitzern und den Granitbänken vorbei zu dem kleinen Leuchtturm, der beinahe eine halbe Meile vom Ufer entfernt stand. Sie setzten sich auf die Bank.
Sie hatte damit gerechnet, dass sie ihm eine Erklärung liefern musste, und den Großteil des Nachmittags überlegt, was sie sagen sollte. Alles, was ihr eingefallen war, hörte sich platt an.
Aber er fragte sie gar nicht. Stattdessen saß er nur da und schaute hinaus über den Hafen.
»Was schauen Sie da an?«, fragte sie.
»Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin.« Er zeigte auf die Seite des Hafens, die zu Marblehead gehörte.
»Welches?« Sie sah zwei Häuser, beide hatten einen eigenen Pier.
Er deutete auf ein blaues Haus.
Sie lief rot an. »Sie hatten aber kein Motorboot?«
»Unsere Nachbarn hatten eines«, sagte er.
Es war das Boot, das sie gestohlen hatte. Damals war sie dafür festgenommen worden, und Melville hatte die Kaution hinterlegt.
»Wieso?«
»Einfach so«, sagte sie.
Er sah sie neugierig an. »Sie sind eine merkwürdige Frau, Dr. Finch.«
»Sie haben ja keine Ahnung«, sagte sie.
Er lachte, und sein Lächeln überraschte sie. Das Lächeln war es, befand sie, was seine Anziehungskraft ausmachte. Schon lange nicht mehr hatte sie sich von jemand anderem als Michael angezogen gefühlt, und in letzter Zeit war nicht viel gelächelt worden.
Es war mehr ein Grinsen als ein Lächeln, dachte sie und versuchte immer noch zu analysieren, was mit ihr geschah, als er sich vorbeugte und sie küsste.
Dieser erste Kuss und die elektrische Spannung zwischen ihnen verblüffte sie. Er musterte sie, um zu sehen, wie sie reagierte.
Er musste nicht lange auf ihre Antwort warten. Der Kuss hatte jede objektive Analyse, die sie hatte durchführen wollen, wirksam zum Stillstand gebracht. Sie erwiderte seinen Kuss.
Sie kehrte erst nach Mitternacht heim. Sie waren zurück auf sein Boot gegangen, und als sie danach auf die Uhr sah, zog sie sich rasch an und sah zu, dass sie wegkam, ein wenig verlegen und nicht ganz sicher, wie sich das alles so schnell entwickelt hatte, aber froh darüber, ja sogar richtig glücklich.
Als sie später vor Jessina stand, fühlte sie sich wie ein Teenager, der
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