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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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sie nicht genug Schlaf bekam, war sie sehr oft erschöpft und mürrisch. Eine Weile stellte sie das Seitengitter des Krankenhausbetts, das die Ergotherapeutin angefordert hatte, höher, aber das redete ihr die Krankenschwester wieder aus.
    »Das Problem ist, dass sie trotzdem versuchen, aus dem Bett zu steigen«, sagte die Schwester. »Ich habe es schon oft erlebt, dass ein Demenzpatient ins Krankenhaus musste, weil er versucht hatte, über das Bettgitter zu klettern, und dabei blieb er hängen und brach sich am Ende einen Knochen.«
    Jessina schlug schließlich den Alarm vor. »Das benutzen sie im Pflegeheim«, meinte sie.
    Als Jessina das nächste Mal vorbeikam, brachte sie einen solchen Alarm mit. Er wurde an Finchs Bettzeug und am Bett festgeklemmt. Sobald die Verbindung gelöst wurde, ging der Alarm los. Finch gefiel das überhaupt nicht, aber es erfüllte seinen Zweck. Zee konnte nachts wieder durchschlafen und wachte nur auf, wenn sie das Summen hörte.
    Zee redete oft mit Melville über Finchs Entwicklung, entweder persönlich oder am Telefon. Und sie konsultierte mehrere Ärzte, die ihr im Prinzip auch nur sagten, was sie bereits wusste, nämlich dass man nicht viel unternehmen konnte.
    Mattei hinterließ ihr auf dem Handy Nachrichten. Zee rief zurück, wenn sie es nervlich verkraftete, und dazu kam es immer seltener. Sie wollte nicht über Finch oder über Michael reden oder wie sie sich in der ganzen Situation fühlte. Sie erinnerte sich an die Antwort eines ihrer Patienten, bei dem ein Elternteil erkrankt war, auf die Frage, wie er sich fühle: Was glauben Sie denn? Total beschissen. Am Ende jedes Tages spürte Zee eine Schwere auf sich lasten, der sie nicht entrinnen konnte. Der Hauptgrund dafür war natürlich Finch, aber es war auch wegen Lilly und wegen Michael und ihrem Beruf und eigentlich wegen all der Entscheidungen, die sie bisher in ihrem Leben getroffen hatte und die entweder nicht ausreichend durchdacht oder schlichtweg verkehrt gewesen waren.
    Zum ersten Mal, seit sie sich erinnern konnte, gab es keine Entscheidungen zu treffen. Statt etwas in Ordnung zu bringen oder ihr Leben zu planen, musste sie einfach nur für ihren Vater da sein, und das fiel ihr leichter, als sie erwartet hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, je so viel Zeit mit Finch verbracht zu haben.
    Und so gab Zee Finch seine erste Schlaftablette, wenn Jessina ihn ins Bett brachte, und machte ihren Abendspaziergang. Zurück zu Hause gab sie ihm die zweite Tablette, erzählte ihm die Neuigkeiten aus der Stadt und redete über das, was sie gesehen hatte. Er bekam seinen Gutenachtkuss, und sie legte ihm noch kurz die Hand auf die Schulter. Nachdem sich Jessina dann endgültig verabschiedet hatte, ging Zee nach oben zu ihrem anderen Leben, ließ die Wanne volllaufen, badete lange und wartete auf Hawk. Obwohl diese beiden Welten nur durch eine einfache Treppe miteinander verbunden waren, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können.
    Seit Anfang Juni, als sie Hawk erzählt hatte, wer sie war, träumte Zee von Lilly: Lilly auf der Brücke, und Lilly, wie sie von Adam gejagt wurde. Daher war sie beinahe froh über das erneute Einsetzen ihres wiederkehrenden Traums von Maureens Geschichte. Die Nacht, in der es mit Hawk angefangen hatte, lag mehrere Wochen zurück, am 10. Juni, es war die erste richtig warme Nacht dieses Sommers.
    Zee war zu müde gewesen, um zu schlafen. Sie war völlig erschöpft, und oben war es viel zu heiß. Jedes Mal, wenn sie sich hinlegte, strampelte sie sich unwillkürlich wach. In ihrer Verzweiflung nahm sie eine von den Schlaftabletten, die Mattei ihr verschrieben hatte.
    Und dann hatte sie einen der seit Jahren wiederkehrenden Träume von der Friendship . Zee sah die untere Ebene des Schiffs, so wie Maureen sie sich einst vorgestellt und beschrieben hatte, und zwar sehr detailliert: den Laderaum, die Kojen, eine Laterne, die an einer Kette hing.
    Als sie aufwachte, war Zee wie besessen von der Idee, sich die Friendship mit eigenen Augen anzuschauen und herauszufinden, ob Maureens Beschreibung zutreffend gewesen war. Die Tatsache, dass sie nicht bis zum Morgen warten wollte, um das Eintrittsgeld zu bezahlen und an Bord des historischen Schiffs zu gehen, hätte ihr erster Hinweis darauf sein sollen, dass diese Idee, in die sie sich verrannt hatte, eine Reaktion auf die Schlaftablette war. Jeder kannte Geschichten von Leuten, die irgendwelche merkwürdigen Dinge angestellt hatten, während sie unter dem

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