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Die Widmung: Roman (German Edition)

Die Widmung: Roman (German Edition)

Titel: Die Widmung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunonia Barry
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Einfluss von Tabletten standen. Aber das Medikament befand sich noch in Zees Körper, und daher kam ihr der Drang, die Friendship sofort zu sehen, nur logisch vor.
    Ihre Mutter hatte die Friendship nie zu Gesicht bekommen, beziehungsweise den Nachbau des Handelsschiffs von 1797, das die Stadt Salem in den 90er Jahren rekonstruiert hatte. Maureen war schon in den 80ern gestorben, lange bevor es die Pläne zum Bau des Schiffs überhaupt gegeben hatte, auch wenn damals schon damit begonnen worden war, Geld dafür aufzutreiben. Jedenfalls war Zee in dieser Nacht besessen davon herauszufinden, ob die detaillierte Beschreibung ihrer Mutter stimmte.
    Sie schlüpfte rasch in ihre Sachen und schlich sich hinaus. Auf Zehenspitzen huschte sie die Treppe hinunter und vermied die eine Stufe unten, die immer quietschte. Dann ging sie durch die Küchentür nach draußen und achtete sorgfältig darauf, die Fliegengittertür langsam zu schließen, damit sie nicht wegen der Rückholfeder zuschlug und Finch weckte. Sie kürzte den Weg über die Gärten und Gassen hinter den Häusern ab, bis sie am Derby Wharf war, wo die Friendship lag. Es war eine klare Nacht, und die Sterne schienen hell und nah.
    Der Wachtposten war verlassen, genau wie der Takelschuppen. Auf der Friendship brannte kein einziges Licht, und über die Gangway war eine Kette gespannt. Im Mondschein duckte sie sich mühelos unter der Kette durch und zog sich die Schuhe aus, damit sie auf der Rampe keinen Lärm machte. Auf dem Schiffsdeck schaute sie sich um. Sie wusste, dass das Schiff bewacht wurde, wusste, dass Hawk zu dem Team gehörte, das die Friendship in Schichten beaufsichtigte, damit sich vor allem keine Jugendlichen an Bord schlichen und etwas mutwillig zerstörten. Eigentlich waren die Aufseher vom Park Service dafür zuständig, aber die Männer, die auf dem Schiff arbeiteten, stellten sich auch gelegentlich zur Verfügung und hielten abwechselnd Wache.
    Zee entdeckte die Treppe und ging in die Kabine hinunter. Ihr Herz raste. Es war so dunkel, dass sie kaum etwas sah. Sie stand zwar noch unter dem Einfluss des Medikaments, aber langsam wurde ihr bewusst, wie dumm der Einfall gewesen war. Sie hätte bis morgen warten und die Führung mit den Touristen machen sollen.
    Ganz, ganz langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Das Mondlicht vermischte sich mit dem Licht der Straßenlampen, und der kleine Leuchtturm am Ende des Piers schien gerade hell genug, dass sie umhergehen konnte. Sie nahm nur Umrisse wahr und bewegte sich, als wäre sie blind, tastete nach der Struktur der Gegenstände, wie Maureen sie beschrieben hatte, und nach den Standorten, wo diese Gegenstände sein mussten. Hier war der Laderaum, die Koje, hier die Hängelampe. Jede Übereinstimmung erfüllte sie mit Respekt – und flößte ihr auch ein wenig Angst ein. Das Meer war ruhig, und das Schiff war sicher vertäut, aber sie spürte, wie es rollte, sie spürte, wie sich der Boden unter ihren Füßen bewegte, als wären sie gar nicht im Hafen, sondern mitten auf dem stürmischen Ozean. Das muss an der Schlaftablette liegen, dachte sie, und dann fiel ihr ein, dass sie vielleicht einfach nur träumte, träumte, dass sie Finch in seinem Bett gelassen hatte und so zielstrebig und entschlossen hierhergelaufen war. Sie begann zu hoffen, dass sie träumte.
    Ein Lichtstrahl kam auf sie zu, und sie erstarrte.
    »Wer ist da?«, ertönte Hawks Stimme in dem leeren Raum. Er blieb stehen, als er sie erkannte, nachdem er ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet hatte. »Was tun Sie denn hier?«
    Vielleicht fiel sie in Ohnmacht. Vielleicht lag es auch an der Schlaftablette. Aber das Nächste, woran sie sich erinnerte, war, dass sie auf seinem Boot saß. Er machte ihr Tee oder Kaffee oder irgendetwas Warmes. Und sie wurde wieder klarer. Er fragte nicht noch einmal, was sie auf dem Boot zu suchen hatte. Er stellte ihr überhaupt keine Fragen, er wartete einfach darauf, dass sie es ihm erklärte, was sie jedoch nicht tat. Sie hatte von so etwas schon gehört. Schlaftabletten hatten sehr unterschiedliche Nebenwirkungen. Auf dem Beipackzettel standen Warnungen: Trinken Sie keinen Alkohol, betätigen Sie keine schweren Maschinen, es kann zur Bewusstlosigkeit kommen. Das war keine klassische Ohnmacht. Als sie da so saß, peinlich berührt und verwirrt, da schwor sie sich, nie mehr wieder eine Schlaftablette zu nehmen. Hier auf seinem Boot zu sein, das hatte etwas zu Intimes, all seine

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