Die Widmung: Roman (German Edition)
ihr vorige Woche geholfen hatte, ein paar von Finchs Sachen auszuräumen.
Sie setzten sich auf die Veranda und sahen den Hunden zu, die auf dem Stück Strand unter ihnen spielten. Auf das Dessert verzichteten sie zugunsten eines Eises auf dem Rückweg. Nach dem Essen gingen sie vor zum Fort Sewall und wählten eine Bank mit Blick aufs Meer. Von hier aus waren alle Grenzinseln sichtbar: Children’s Island, die Miseries und Baker’s Island, mit dem Leuchtturm im Norden. In mittlerer Distanz sah sie Yellow Dog Island, das Heim für missbrauchte Frauen und Kinder. Zee dachte an May Whitney, die das Heim führte, und die gute Arbeit, die sie dort leistete. Zee hätte für Lilly gerne genauso viel tun können.
Aber sie wollte heute Abend nicht an Lilly denken, wollte nicht, dass dieser Gedanke sich zwischen sie drängte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die schöne Aussicht. In Marblehead war Regattawoche, und es waren Segler aus der ganzen Welt gekommen, um sich zu messen. Über den Horizont bewegte sich eine lange Reihe J/24 mit Spinnaker.
»Mickey sagt, du könntest dich auf dem Meer zurechtfinden, indem du einfach die Sterne anschaust.«
»Ein bisschen komplizierter ist es schon.« Hawk lachte. »Beim Park Service läuft gerade ein Kurs über Astronomische Navigation, falls es dich interessiert.«
»Hast du nicht diesen Kurs unterrichtet?« Sie glaubte sich zu erinnern, dass er davon erzählt hatte.
»Nur ein paar Stunden«, sagte er. »Ich bin kein Lehrer.«
»Kein Schreiner, kein Lehrer. Muss schön sein zu wissen, was man nicht ist«, meinte sie.
»Zweifelst du an deinem Beruf?« Die Frage war ernst gemeint.
»Wechseln wir besser das Thema«, sagte sie.
»Mir ist ja klar, dass wir nicht über Lilly sprechen können, aber können wir auch über deinen Beruf nicht reden?«
»Ich fürchte, das ist beides hoffnungslos miteinander verknüpft.«
Er saß da und schwieg.
»Ich muss darüber reden«, sagte er.
»Über deinen Beruf?«
»Über Lilly Braedon«, sagte er.
»Ich kann nachvollziehen, warum«, meinte sie.
»Das glaube ich nicht.«
»Wie dem auch sei«, sagte sie.
Damit hatte sie höflich das Gespräch beenden wollen, doch auf Hawk hatte es die gegenteilige Wirkung.
»Was zum Teufel soll das denn heißen?«
»Tut mir leid«, sagte sie ernst. »Wenn du Schwierigkeiten hast, mit deinen Gefühlen über ihren Tod zurechtzukommen, und mit jemandem darüber sprechen musst, gebe ich dir gerne ein paar Namen. Bloß ich kann das nicht sein.«
Er war offensichtlich verärgert.
»Es tut mir leid«, wiederholte sie. »Ich verstehe ja, wenn du böse auf mich bist.«
»Ich bin nicht böse«, sagte er. »Lassen wir das Thema einfach fallen.«
Schweigend gingen sie zum Auto zurück. Als die Sonne unterging, wurden aus den Yachtclubs Böllerschüsse abgefeuert, die im ganzen Hafen widerhallten.
Sie nahm an, dass der Abend nun wohl gelaufen war. Doch dann bemerkte sie, dass sich Hawks Stimmung aufhellte, als sie Coffey’s Eisdiele erreichten. Die Leute standen bis auf die Straße hinaus an.
»Möchtest du noch ein Eis?«, fragte er.
»Gerne«, sagte sie. »Natürlich nur, wenn du auch willst.«
»Ja«, sagte er. »Wir müssen etwas tun, um den Abend zu retten.«
Er hielt ihr die Tür auf, und sie ging hinein. »Was möchtest du?«, fragte Hawk, immer noch etwas distanziert, aber ein wenig weicher.
»Ich überlege noch«, sagte sie und sah sich die Vitrine an. Sie hatte Finch immer Eis gekauft, jedes Mal die Geschmacksrichtung Kaffee. Michael war ein Häagen-Dazs-Typ gewesen, ansonsten durfte es nur vom Italiener sein. Sie konnte sich ernsthaft nicht erinnern, wann sie das letzte Mal ein Eis für sich selbst bestellt hatte. Es war lächerlich, von so einer Kleinigkeit in Verlegenheit gebracht zu werden, aber so war es nun einmal. Er wartete darauf, dass sie wählte, und sie stand plötzlich vor einer riesigen Entscheidung, fühlte sich wie ein kleines Kind. Sie dachte fieberhaft nach. Was hätte sie wohl als Kind bestellt? »Moose Tracks und Bubble Gum mit Gummibärchen«, sagte sie.
»Das gibt’s doch gar nicht«, sagte er. »Ich wollte genau dasselbe bestellen.«
»Lustig«, meinte sie.
Sie setzten sich auf eine andere Bank unten am Landesteg und aßen ihr Eis. Im Hafen knallten die Startschüsse für die Regatten. Der Besitzer der Eisdiele schloss ab und nickte ihnen zu, als er zu seinem Auto ging.
»Zeig mir, wie man mit den Sternen navigiert«, sagte sie.
Er sah sie skeptisch an,
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