Die Widmung: Roman (German Edition)
Küchentür hereingekommen, aber nun ging er zur Haustür hinaus, die näher am Fernsehzimmer war. Er konnte diesen Ort nicht schnell genug verlassen. »Sagen Sie Zee bitte, dass ich da war«, rief er noch.
Beim Hinausgehen hörte er Finch leise in sich hineinlachen. »Da war gerade ein Pirat bei uns im Fernsehzimmer, nicht wahr?« Auf eine Bestätigung wartend sah er Jessina an.
»Und ob«, sagte sie.
35
Zee richtete die Taschenlampe auf den Pfad, der zu dem Häuschen führte.
Im Blumenkasten tastete sie nach dem Schlüssel. Verdorrte alte Pflanzen und Blumen, Einjährige, die gepflanzt worden waren, als Maureen noch lebte, zerkrümelten ihr unter den Fingern, doch der Schlüssel lag noch da. Das Fliegengitter war zerrissen, der Rahmen passte nicht mehr in die Öffnung. Als sie das letzte Mal hier gewesen war, hatte sie die Tür offenbar nicht zugezogen, und die Feuchtigkeit des Winters hatte das Holz verzogen. Die hölzerne Tür innen war zwar aufgequollen, aber noch intakt. Sie musste fest drücken, bis sie aufging.
»Wem gehört das Haus?«, fragte Hawk.
»Mir«, antwortete sie. »Und ich war schon lange nicht mehr da.«
Die Öllampe stand auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers. Zee nahm eine alte Streichholzschachtel aus der Küchenschublade. Sie waren feucht und ein bisschen verschimmelt, aber beim fünften Versuch gelang es ihr, eines anzuzünden.
Ein warmer Lichtkreis beleuchtete das Sofa und die kleine Küche mit dem Specksteinbecken und der Handpumpe sowie dem Kühlkasten aus Eichenholz. Zee ging zur Spüle und öffnete die Innenrollos und die Fenster dahinter. Sterne und Mond spiegelten sich in dem schwarzen Wasser. Sie ging von Fenster zu Fenster, öffnete sie und ließ die Salzluft gegen den modrigen Geruch herein.
»Das ist ja unglaublich hier«, sagte Hawk.
»Findest du?«
Da fiel ihr ein, dass Michael das Haus nie gesehen und auch gar kein Interesse daran gehabt hatte. Michael war genauso wenig wie Finch ein Wassermensch. Trotzdem fragte sie sich jetzt, weshalb sie nicht darauf bestanden hatte, es ihm zu zeigen.
Hawk sah die Pumpe an. »Ist das Salz- oder Süßwasser?«
»Salzwasser«, sagte sie. »Den Weg runter gibt es einen Süßwasserbrunnen.« Er nahm den Eimer. »Ich glaube nicht, dass die Pumpe funktioniert.«
»Versuchen können wir es ja«, meinte er. Er trug den Eimer zu dem kleinen Stück Strand vor der Hütte, um ihn zu füllen.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen bekam er die Pumpe wieder hin. Dann lachte er über sich. »Ich weiß gar nicht, wieso ich das gemacht habe.«
»Danke«, sagte sie.
Sie lächelte. Sie pumpte selbst ein wenig von dem Salzwasser hoch, nur um es auszuprobieren. Als Kind hatte sie das Geschirr immer mit Salzwasser gespült und musste auf einen Hocker steigen, um heranzureichen. Das war eine gute Erinnerung an die Zeit mit ihrer Mutter, eine der wenigen guten, und sie war dankbar, dass Hawk sie ihr zurückgegeben hatte. Alle guten Erinnerungen an ihre Mutter stammten von hier: Maureen, die ihre Geschichten laut las, während Zee auf dem Flickenteppich saß und Libellen und Möwen malte, in dem Sommer, in dem sie Strandpflaumen pflückten und Marmelade kochten, für die sie sowohl den Zucker als auch das Wasser vom Festland holten. Viele Erinnerungsschnipsel und -blitze kamen jetzt zurück, und sie war dankbar für jeden.
Sie setzten sich an den Tisch und spielten mit einem alten Kartenspiel, das Zee in der Schublade mit den Streichhölzern gefunden hatte, Gin Rommé. Bis auf ein Spiel gewann er immer. »Und was möchtest du jetzt machen?«, fragte er.
»Wie wäre es, wenn wir hier übernachten?«, fragte sie.
»Wie im Ferienlager?«
»Ja«, sagte sie. »Genau so.«
»Hast du Marshmallows?«
»Wenn, dann sind sie zwanzig Jahre alt.«
»Und Gruselgeschichten? Weißt du welche?«
»Ein paar schon.« Sie musste plötzlich an Lilly Braedon denken. Wir wissen beide eine , dachte sie. Dann dachte sie an die andere Geschichte, die sie kannte, diejenige, die ihre Mutter geschrieben hatte. Sie wollte ihm keine der beiden Geschichten erzählen. Nicht heute Nacht. Sie würde sich etwas anderes ausdenken müssen.
»Okay«, sagte er. »Ich bin dabei.«
Hawk blies die alte Baumwollluftmatratze auf, während sie den Teppich ausrollte und die Decken aus einem Regal holte.
Das Haus war so gelegen, dass man beinahe einen 360-Grad-Rundumblick hatte. Sie legten sich zusammen hin und schauten durch die geöffneten großen Türen in der westlichen Wand hinauf
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