Die Widmung: Roman (German Edition)

zum Himmel. Klar und deutlich konnten sie die Sterne sehen. Unter ihnen krachten die Wellen gegen die Felsen.
    Zuerst zeigte er ihr die Sternbilder, die einfachen, die sie bereits kannte, und die Tierkreiszeichen: Widder und Waage. Dann versuchte er ihr einige der siebenundfünfzig Sterne zu zeigen, die man bei der Astronomischen Navigation verwendet.
    »Die Tierkreiszeichen waren aber einfacher«, sagte sie.
    »Nein, schau, hier ist der Große Wagen. Da steht Polaris.«
    »Der Nordstern.«
    »Ja. Der Polarstern befindet sich immer weniger als ein Grad vom Nordpol entfernt. Mit dem Polarstern kannst du deinen Breitengrad bestimmen.«
    »Den Nordstern sehe ich, aber nicht den anderen, auf den du gezeigt hast«, sagte sie. Er drehte ihren Kopf in Position und deutete mit dem Arm über ihre Schulter hinweg, so dass sie in die richtige Richtung schaute. »Immer noch nicht«, meinte sie.
    Er lachte.
    »Du siehst doch den Mond. Wir brauchen den Mond oft, genau wie den Horizont«, sagte er. »Du hast also drei Bezugspunkte. Messungen kannst du nur bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang anstellen, denn wenn es dunkel wird, verschwindet der Horizont. Aber bei Dämmerung sind die Sterne noch sichtbar, zumindest ganz kurz.« Er zeigte wieder mit dem Finger, diesmal auf eine Stelle tief unten am westlichen Horizont. »Da haben wir Spica, in der Jungfrau, einen der hellsten Sterne am Himmel. Die Spica ist ein Blauer Riese, und eigentlich ist es nicht nur ein Stern, sondern ein Doppelstern, zwei Sterne, die so nahe um einen gemeinsamen Punkt kreisen, dass sie aussehen wie einer.«
    »Das ist entweder Romantik pur oder hoffnungslose gegenseitige Abhängigkeit«, sagte Zee und schaute in die Richtung, in die er zeigte.
    Er lachte. »Siehst du es?«
    Sie schüttelte den Kopf. Er deutete noch einmal darauf. »Siehst du den Großen Wagen?«
    »Ja«, sagte sie. »Den finde ich immerhin.«
    »Okay, dann folge der Deichsel des Großen Wagens.« Er legte sich so hinter sie, dass er auf Augenhöhe mit ihr war, und hob ihren Arm mit seinem, bis er der Deichsel nachspürte. »Der helle Stern da ist der Arcturus. Wenn du jetzt die gerade Linie ungefähr um denselben Abstand verlängerst, findest du den Stern Spica. Gleich hier. Siehst du?«
    Sie zwickte ein Auge zu.
    »Spica ist sehr wichtig, wenn du am Äquator navigierst.«
    »Gut zu wissen«, meinte sie.
    »In einem Monat wirst du sie kaum mehr am Nachthimmel erkennen«, sagte er. »Sie kommt dann erst im nächsten Sommer zurück.«
    »Sie?«
    »Spica ist auf jeden Fall weiblich. Siehst du sie?«
    »Tut mir leid.«
    »Gleich hier.« Er fuhr wieder die Linie nach.
    »Es ist immer schade, wenn die Spica unter dem Horizont verschwindet«, sagte er. »Aber sie hat ihren heliakischen Aufgang so um Halloween.«
    »Ihren was bitte?«
    »In der Morgendämmerung Mitte Oktober wird die Spica nur für ein paar Tage wieder am Horizont sichtbar sein. Das ist wie ein kleiner Sonnenaufgang. Es ist immer schön, sie wiederzusehen, wenn sie auftaucht.«
    »Ich glaube, du magst diesen Stern irgendwie.«
    Er lachte. »Ich mag einfach strahlende, schöne Jungfrauen, was soll ich sagen?«
    Nun lachte sie.
    Er fuhr die Linie ein weiteres Mal nach, zog Zee näher zu sich und hob ihren Arm zusammen mit seinem hoch. »Genau da. Siehst du? Sie ist der hellste Stern in der Jungfrau.«
    »Ich habe die Jungfrau noch nie gesehen und sehe sie jetzt immer noch nicht.«
    »Das ist schade. Du bist doch Jungfrau.« Er lachte wieder. »Eigentlich kann man gerade nur einen Teil der Jungfrau sehen. Nachts, um diese Zeit, ist sie zum Großteil unter dem Horizont.«
    »Spica. Jungfrau. So navigierst du also über den Ozean?«
    »Ja.«
    »Glaubst du nicht an Karten?«, fragte sie.
    »Auf keinen Fall. Meereskarten sind unglaublich ungenau.«
    »Was ist mit GPS ?«
    »Ich glaube schon an GPS «, sagte er lachend. »Ich glaube nur mehr an die Sterne.«
    »Mehr als an GPS ?«
    » GPS ist elektronisch. Es kann versagen. Wenn du an die Sterne glaubst, findest du immer den Weg nach Hause.«
    »Außer es ist bewölkt«, sagte sie.
    »Ja«, stimmte er zu. »In einer wolkigen Nacht glaube ich sehr an GPS .« Dann war er still. »Hör mal«, sagte er.
    »Auf die Sterne?«
    »Nein.« Es zischte kaum vernehmbar. »Ich glaube, die Luftmatratze hat ein Loch.«
    Sie lachte. »Das würde mich nicht im Mindesten überraschen.«
    Die Luft kühlte schnell ab. Zee holte noch ein paar Decken aus der Schublade. »Wir brauchen ein Lagerfeuer«, sagte